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EZB-Chef Mario Draghi geht voran, doch nicht alle Gouverneure folgen. Der Deutsche Jens Weidmann, der Österreicher Ewald Nowotny und der Franzose Christian Noyer sollen die zuletzt vorgestellten Ankaufprogramme abgelehnt haben.

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Der Euro hat in den vergangenen Monaten gegen den US-Dollar abgewertet.

Grafik: DER STANDARD

Frankfurt/Wien - Das neueste Experiment der Europäischen Zentralbank gegen die Konjunkturebbe hat zu einer Flut von Kritik geführt. Der deutsche Bundesbank-Präsident Jens Weidmann etwa geht öffentlich auf Distanz zum EZB-Kaufprogramm für Pfandbriefe und Kreditpapiere. Er sehe die Gefahr, dass "Kreditverbriefungen schwächerer Qualität" zum Kauf anstünden und die Europäische Zentralbank (EZB) zudem überteuerte Preise bezahlen könnte, sagte Weidmann dem Magazin "Focus": "Dann würden Kreditrisiken, die von privaten Banken eingegangen wurden, ohne einen angemessenen Ausgleich auf die Notenbank und damit den Steuerzahler verlagert."

Tatsächlich hat die EZB in den Details zu zwei Ankaufprogrammen von Pfandbriefen und strukturierten Kreditportfolios (ABS) vorgesehen, dass auch Papiere mit Ramschstatus gekauft werden können. Die Angst vor hohen Kreditrisiken scheinen auch der österreichische Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny und der französische Gouverneur Christian Noyer zu teilen, die im EZB-Rat gegen den Plan gestimmt haben sollen.

Andere werden noch deutlicher. "Draghi macht die Europäische Zentralbank immer mehr zur Ramschbank", polterte der Obmann der Unionsfraktion im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, Hans Michelbach, am Wochenende.

"EZB droht Glaubwürdigkeit zu verlieren"

Ansgar Belke, Jean-Monnet-Professor für Makroökonomie an der Universität Duisburg-Essen, hält das direkte Risiko zwar für beherrschbar: "Die EZB wird ja die riskanteren Papiere aus Zypern oder Griechenland auch niedriger gewichten." Doch auch er sieht den jüngsten Politikschwenk in Frankfurt sehr kritisch. "Die EZB droht Glaubwürdigkeit zu verlieren", warnt Belke.

Denn während die Zentralbank bisher Strukturreformen einforderte und dafür als "Belohnung" eine lockere Geldpolitik fuhr, ist es jetzt umgekehrt. Draghi beschließt unterstützende Geldpolitik und vertraut darauf, dass die Regierungen den zusätzlichen Spielraum für Reformen nutzen: "Da ist spieltheoretisch etwas faul, das ist die falsche Richtung", kritisiert Belke, der das EU-Parlament in Sachen Geldpolitik berät. Die EZB habe keine Handhabe mehr, Strukturreformen einzufordern, warnt Belke.

Konjunkturenttäuschung vorprogrammiert

Dabei fürchten Volkswirte, dass die EZB angesichts der schwachen Konjunkturlage noch nicht am Ende der Hilfen angekommen ist. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, erwartet, dass sich die Wachstumshoffnungen der EZB nicht erfüllen. Die Wachstumsprognosen der Ökonomen in Frankfurt seien immer noch zu optimistisch. "Die EZB rechnet im dritten und vierten Quartal mit 0,4 Prozent Wachstum zum Vorquartal, das ist angesichts der jüngsten Schwäche bei den Vertrauensindikatoren eher unwahrscheinlich."

Sowohl aus der Industrie als auch aus den Dienstleistungssektoren lässt sich an Kennzahlen wie den Einkaufsmanagerindizes keine Wachstumseuphorie ablesen. Der Industrieindikator von Markit Economics ist im September auf 50,3 gefallen, ein Wert nahe an der Stagnation. Über 50 signalisiert der Indikator Wachstum.

Weitere Euro-Abwertung

Der Euro ist vor dem Wochenende auf 1,2514 gegen den US-Dollar gefallen, den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Das ist durchaus gewünscht, weil eine relativ schwache Währung die europäische Exportwirtschaft unterstützt, indem sie deren Produkte billiger macht. Zur Euroschwäche hat auch beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit in den USA im September auf 5,9 Prozent gefallen ist, erstmals seit Juli 2008. Die Zahl verdeutlicht, dass die USA trotz anhaltender Probleme - etwa die stark gestiegene Zahl der Teilzeitbeschäftigten - bereits demnächst die Zinswende einläuten könnten.

Die US-Notenbank Fed und die Bank of England in London könnten in den kommenden Quartalen die Zinsen erstmals seit der Finanzkrise anheben. Weil in Europa eher über weitere Lockerung der Geldpolitik debattiert wird, könnte der Euro damit weiter abwerten. (sulu, DER STANDARD, 6.10.2014)