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Die Preisträger von links nach rechts: Edvard Moser, John O'Keefe und May-Britt Moser.

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Auf Edvard und May-Britt Moser geht derzeit ein warmer Preisregen nieder: Vor einem Monat erst wurden sie in Hamburg mit dem Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft ausgezeichnet. Auch dessen Dotierung kann sich mit 750.000 Euro sehen lassen.

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Ähnliches gilt für John O’Keefe: Am 9. September nahm der Forscher (links) vom norwegischen König den Kavli-Preis in der Kategorie Neurowissenschaften entgegen. Dotierung: 797.000 Euro.

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Schematische Darstellung des "Navi" im Gehirn: Regelmäßig angeordnete "Koordinaten-Zellen" ermöglichen die Orientierung.

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Stockholm/Wien - Wie wissen Sie, wo Sie sich in diesem Moment gerade aufhalten? Und wie werden Sie den Weg zum nächsten Ort finden, den Sie aufsuchen wollen? Heute greift man für solche Fragen gerne zum Smartphone. Man kann sich im Normalfall aber auch ganz gut auf das eigene Gehirn verlassen: Das verfügt nämlich über eine Art von innerem GPS.

Die Erkenntnis, dass es ein solches Ortserkennungssystem im Hirn von Tier und Mensch gibt und wie dieses funktioniert, hat drei Forschern den diesjährigen Nobelpreis für Medizin oder Physiologie (im konkreten Fall Hirnphysiologie) eingetragen: Der in London forschende US-Neurowissenschafter John O'Keefe hat bereits 1971 einen ersten Teil des "inneren GPS" von Mensch und Tier beschrieben, die sogenannten "Platz-Zellen". Dafür erhält er eine Hälfte des wichtigsten Wissenschaftspreises der Welt.

"Geistige Landkarten"

Die zweite Hälfte der mit umgerechnet etwa 878.000 Euro dotierten Auszeichnung teilt sich das norwegische Hirnforscherpaar May-Britt und Edvard Moser, das in Trondheim arbeitet. Sie entdeckten 2005 bei Versuchen mit Ratten die sogenannten "Koordinaten-Zellen" ("Grid-Cells" ), die eine Art Positionierungssystem im Gehirn bilden und die räumliche Orientierung und das Finden eines Weges erleichtern.

Vor diesen preisgekrönten Entdeckungen haben sich Gelehrte jahrhundertelang die Köpfe darüber zerbrochen, wie wir uns im Raum orientieren. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant etwa hielt den Raum für eine Art von vorgegebenem Prinzip unseres Geistes, durch das wir die Welt wahrnehmen. Mit dem Siegeszug der experimentellen Psychologie konnte man diesen Fragen erstmals empirisch nachgehen.

Der US-Psychologe Edward Tolman entdeckte bereits 1946, dass Ratten lernen können, wie sie sich in einem Labyrinth zurechtfinden. Die Frage war nun, wie ihre "geistigen Landkarten" im Gehirn repräsentiert sind. Erste wichtige Erkenntnisse zur Lösung dieser Frage gehen auf John O'Keefe zurück. Er entdeckte durch elektrophysiologische Messungen an Ratten, dass in der Gehirnregion Hippocampus jeweils einzelne Neuronen mehr oder weniger aktiviert waren, je nachdem, wo sich die Tiere aufhielten. Diese Nervenzellen nannte man die "Place-Cells" (" Platz-Zellen"), die einen "kompletten Plan" der Umgebung repräsentieren, in der sich das Tier oder der Mensch befindet.

Neuronales Koordinatensystem

Das norwegische Forscherpaar May-Britt und Edvard Moser arbeitete unter anderem bei O'Keefe am University College London, ging aber 1996 nach Norwegen zurück und leitet heute in Trondheim ein hochdotiertes Kavli-Institut für Neurowissenschaften. Im Jahr 2005 entdeckten die beiden ebenfalls bei Experimenten mit Ratten die sogenannten "Koordinaten-Zellen" ("Grid-Cells"), die sich im entorhinalen Cortex befinden, einer Gehirnregion, die mit dem Hippocampus verknüpft ist.

Diese geben für die "Platz-Zellen", die mit Ortsveränderung der Tiere unterschiedlich aktiviert werden, eine Art Koordinatensystem ab. Das Besondere daran ist, dass diese Zellen in regelmäßigen Sechsecken angeordnet sind, was erst die Navigation ermöglicht.

Die Laureaten sind von der Auszeichnung eher überrascht worden. Denn obwohl sie in den vergangenen Jahren etliche wichtige Preise gewonnen haben, zählten sie im Vorfeld nicht zu den Favoriten. O'Keefe war vom Nobel-Komitee gleich erreicht worden und zeigte sich "sehr, sehr glücklich". May-Britt Moser befand sich in einer Sitzung und war vom Anruf aus Stockholm zunächst einmal positiv "schockiert".

Ihr Mann saß da gerade in einem Flugzeug auf dem Weg nach München. Dort kam er gegen 13 Uhr an und wurde von der Lufthansa mit einem Blumenstrauß begrüßt, was ihn zunächst etwas orientierungslos machte. Erst als er auf sein Smartphone blickte, dämmerte ihm etwas: Unter den Nummern der eingegangenen Anrufe befand sich jene vom Vorsitzenden des Stockholmer Nobelpreiskomitees. (tasch/APA, DER STANDARD, 7.10.2014)