Ein alltäglicher Anblick in Lódz: In Zeiten des Kommunismus wurde kein Geld in die Renovierung ehemaliger Prachtbauten gesteckt, Sanierung ist dringend nötig.

Foto: Zoidl

STANDARD: Wie bewerten Sie die Revitalisierungsprojekte, die nun in Angriff genommen werden?

Poplawski: Es gibt unterschiedliche Qualitäten. Relativ zeitgleich mit unserem Projekt, dem Hotel Andel's, wurde ein Projekt gestartet, bei dem in einem Fabriksgebäude Lofts entwickelt wurden. Geplant waren sehr große Lofts mit 150 Quadratmetern auf zwei Geschoßen. Dann kam die Wirtschaftskrise. Am Ende wurde das Projekt mit weitaus kleineren Lofts sehr verdichtet realisiert. Das ist kein positives Beispiel für Revitalisierung. Unser Projekt war hingegen etwas ganz anderes, es war in diesen Maßstäben eine einmalige Aufgabe. Frühere Investoren meinten, das Gebäude sei für ein Hotel zu groß. Warimpex hat sich aber für eine Nutzung als Hotel mit einem extragroßen Konferenzbereich entschieden. Das Projekt setzte neue Maßstäbe in der Revitalisierung in Lódz und in ganz Polen. Es gibt mittlerweile ähnliche Projekte, aber in kleinerem Maßstab.

STANDARD: Stört Sie das?

Poplawski: Ganz im Gegenteil - das ist sehr positiv zu sehen. Es hat Investoren auch Mut gegeben, sich mit dieser alten Substanz zu beschäftigen. Als wir das Hotel Andel's fertiggestellt hatten, gab es vonseiten der Stadt eigentlich noch keine eigenen Sanierungsprojekte. Vor einigen Jahren startete dann aber die Initiative "Stadt der 100 Zinshäuser", in deren Rahmen die Stadt einzelne Gebäude saniert. Mittlerweile werden ganze Viertel von der Stadt saniert. Das ist auch stark mit "sozialer Sanierung" verbunden, denn es reicht nicht, nur die Bausubstanz zu sanieren. Auch die Einwohner müssen sozial unterstützt werden. Die Zinshäuser, die Prachtvillen der Industriellen, wurden als soziale Wohnungen verwendet, aber dann durch Mangel an Investitionen während des Kommunismus zerstört. Nun sind das Ruinen. In solchen Zinshäusern bleiben wirklich nur die Ärmsten. Die Stadt muss für diese Leute Ersatzwohnungen finden. In die renovierten Bauten müssen dann jüngere Menschen einziehen, so solle eine bessere Durchmischung erreicht werden.

STANDARD: Rund um den Bahnhof soll ja nun gleich ein ganz neues Stadtzentrum entstehen.

Poplawski: Das ist ein wirklich sehr großes Projekt. Einerseits revitalisiert die Stadt ein altes E-Werk - ein wunderschönes Objekt, das als Kulturzentrum genutzt werden soll. Dazu kommt noch der Hauptbahnhof, der unterirdisch geplant wurde. Der erste Abschnitt soll in einem Jahr fertig sein.

STANDARD: Was halten Sie davon?

Poplawski: Generell ist das ein sehr fortschrittliches Projekt. Aber ich persönlich finde, dass es ein bisschen zu progressiv und langfristig ist. Bis zum Beispiel das Gesamtkonzept des Eisenbahnprojekts realisiert wird, vergehen wohl mindestens 20 Jahre. Das ist ambitioniert, aber Lódz braucht Investitionen, die die Stadt schneller sanieren. Ich bevorzuge daher die Sanierung bestehender Häuser und einzelner Viertel.

STANDARD: Ist Revitalisierung von Bestand die große Chance für Lódz?

Poplawski: Meiner Meinung nach ist das das größte Potenzial, das die Stadt besitzt - obwohl in den ersten Marktwirtschaftsphasen sehr viel von alter Substanz abgerissen wurde. Da ist viel vom Charisma der Stadt verlorengegangen. Aber jetzt sehen auch Investoren, dass man Revitalisierungen unterstützen muss, weil es ein enormes Potenzial gibt in diesen alten industriellen Bauten, aber auch in den Wohngebäuden und der repräsentativen Substanz. Das OFF Piotrkowska in der Nähe der Hauptstraße finde ich zum Beispiel sehr spannend, weil es ein interessantes Nebenprodukt der Krise ist. Ursprünglich war dort ein Fünfsternehotel geplant, sogar die Baugenehmigung gab es schon. Aber dann kam die Krise, und der Besitzer entschied schließlich, das ganze Gebäude an unterschiedliche Nutzer zu vermieten - etwa Designer, Architekten, kleine Shops und Restaurants. Daraus ist nun ein kleines Stadtviertel entstanden. Das entwickelt sich laufend weiter und zeigt, welche interessanten Kräfte in der Stadt und bei den Bewohnern vorhanden sind. (Franziska Zoidl, DER STANDARD, 3.10.2014)