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Radu Rebeja ist der Rekordnationalspieler Moldaus. Zwischen 1991 und 2008 absolvierte er 74 Spiele, darunter auch jenes, das in Wien gegen Österreich 0:2 verloren ging. Andreas Herzog erzielte aus Elfmentern beide Tore. Im Bild muss sich Rebeja mit Jürgen Panis auseinandersetzen.

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Proteste in Chișinău gegen ein Assoziierungsabkommen Moldaus mit der EU. Die Demonstranten fordern einen Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft unter russischer Führung. Ähnlich wie in der Ukraine ist die außen- und wirtschaftspolitische Orientierung im Land umstritten.

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Pseudo-sozialistische Parallelwelt in Transnistriens Hauptstadt Tiraspol.

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Aufwärmen im Zimbru-Stadion. Grödigs Maximilian Karner (vorne) hatte bereits das Vergnügen.

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Moldau holte in London 2012 um zwei Medaillen mehr als Österreich. Cristina Iovu (Bild) und Anatoli Ciricu gewannen stemmend Bronze.

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Wien/Chișinău - Auch wenn Ringer und Rugbyspieler die deutlich glorreichere Sporthistorie der Republik Moldau schreiben, am populärsten ist im ärmsten Land Europas doch der Fußball. Die Nationalmannschaft ist in der neuesten FIFA-Rangliste aus den ersten 100 gerutscht (Platz 105), am Donnerstag wagt sie in der EM-Qualifikation trotzdem den Vergleich mit Österreich (39.).

Das einschneidenste Ereignis seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 war jene kriegerische Auseinandersetzung ein Jahr später, die mit vielen Toten und der Abspaltung Transnistriens endete, eines schmalen Streifen Landes am linken Ufer des Flusses Dnjestr. Militärisch hatte das Eingreifen russischer Einheiten den Ausschlag zugunsten der Separatisten gegeben. Die Folgen sind nicht nur politisch und wirtschaftlich bis heute spürbar, sondern haben auch dem moldauischen Sport ein ganz besonderes Gepräge gegeben.

Es ist nicht wie es scheint

Der Konflikt um Transnistrien, einem international nicht anerkannten Gebilde, das weiterhin Hammer und Sichel im Wappen führt, und dessen Parlament Oberster Sowjet genannt wird, unterscheidet sich von anderen Sezessionsbewegungen im post-sowjetischen Raum. Er war weniger ethnisch, sondern vielmehr ökonomisch getrieben. Die lokale Nomenklatura sah ihre Felle in einem unabhängigen moldauischen Staat davonschwimmen und konnte die russischsprachige Bevölkerung der Region erfolgreich in eine Abwehrhaltung gegenüber den Gefahren einer vermeintlich vor der Tür stehenden Rumänisierung hineintheatern. Immerhin: Transnistrien war das industrielle Zentrum der Moldauischen Sowjetrepublik, 40 Prozent der produzierten Güter kamen aus dem Landstrich mit seinen etwa 555.000 Einwohnern.

Hinter einer teilweise aggressiven Rhetorik wird folgerichtig ein Pragmatismus sichtbar, der zuvorderst einen möglichst ungestörten Fortgang der Geschäfte sicherstellen soll. Und auch im Sport sind Berührungsängste eher gering ausgeprägt, solange beide Seiten glauben, daraus Nutzen ziehen zu können. So treten transnistrische Vereine nach wie vor in moldauischen Meisterschaften an, Sportler aus Transnistrien vertreten Moldau bei internationalen Wettkämpfen. Während die Regierung in Tiraspol sich so die Erfolge "ihrer" Athleten weiterhin auf die Fahnen heften kann, die andernfalls das Schicksal sportpolitischer Isolation erlitten hätten, sieht die moldauische Seite die Chance, dem Auseinanderdriften der Landesteile zumindest auf diesem Feld eine gegenläufige Entwicklung entgegenzusetzen.

Garantiert kompliziert

Transnistrische Sportler sind entweder - wie viele ihrer Landsleute - im Besitz eines moldauischen Passes, andere ziehen einen russischen vor. Fußballer - und durchaus auch solche aus der Republik Moldau - nützen letzteren Umstand gerne dazu, ihrem Job im lukrativen russischen Ligensystem nachzugehen. Sie unterlaufen so die dort geltenden Beschränkungen für ausländische Spieler. 2008 wurde bekannt, dass gut die Hälfte der Schlüsselspieler des moldauischen Nationalteams russische Pässe besaß. Einige beendeten später sogar ihre internationale Karriere, um die Sicherheit ihres Brotberufes nicht zu gefährden.

Transnistrische Vereine spielen im moldauischen Sport (Handball, Fußball, Volleyball) eine wichtige bis dominante Rolle. Dahinter steckt eine überlegene finanzielle Ausstattung, für die sowohl die transnistrische Regierung als auch lokale, oligarchisch angehauchte Businessmänner sorgen. Manch moldauischer Klub wurde auch einfach aufgekauft und nach Transnistrien übersiedelt. Bekanntestes Beispiel: der Fußball-Erstligist Constructorul Chișinău, der seit 2002 zum FC Tiraspol mutierte. Weiters bestehen noch aus sowjetischer Zeit beste Kontakte zur moldauischen Funktionärs-Elite, welche sich in einem notorisch korruptionsgesättigten Umfeld flugs in mannigfachen Vorteil ummünzen lässt.

Das Ding namens Sheriff

Bestes Beispiel dafür ist der FC Sheriff Tiraspol. Nach einem kometenhaften Aufstieg seit der Gründung 1996 gewann der Klub zwischen 2001 und 2010 zehn Mal die Meisterschaft in der Divizia Națională, der höchsten moldawischen Fußball-Liga (aktuell Nummer 32 in der UEFA-Fünfjahreswertung). In der Serienmeister-Bestenliste ließ Sheriff (Zuschauerschnitt 2013/14: 785) damit namhafte Konkurrenz wie die Glasgow Rangers, Celtic und Dynamo Kiew (alle Neunfach-Champions) hinter sich. Allein Skonto Riga, in vierzehn Saisonen hintereinander lettischer Primus (1991 bis 2004), hat diesbezüglich noch die Nase vorn.

Der Verein ist Teil (und vielleicht sogar Aushängeschild) des Firmenkonglomerats Sheriff, das 1993 von zwei obskuren Offizieren des transnistrischen Innenministeriums gegründet worden war. Einer der beiden, Victor Gușan, ist bis heute sein Präsident. Sheriff wird wahlweise als so etwas wie der Staat im Staat des Staates im Staat beschrieben, oder, griffiger, als jenes Unternehmen, welches auf allen profitablen Geschäftsfeldern Transnistriens operiert. Das Sheriff-Imperium umfasst auszugsweise: eine Tankstellen-Kette, Supermärkte, die einzige private Fernsehstation des Landes, ein Mobilfunk-Netz, das größte Verlagshaus, eine Werbeagentur, eine Baufirma und eine Schnapsbrennerei.

Gemischtes Doppel im Sumpf

Ein solcherart aufgestelltes Portfolio legt ein systematisches Geben und Nehmen mit der politischen Elite sehr nahe. Und in der Tat wurden Sheriff in der neunzehnjährigen Ära von Präsident Igor Smirnow (bis 2011), dessen Sohn Wladimir günstigerweise als Chef der transnistrischen Zollbehörde amtierte, eine Reihe von Privilegien zugestanden. Wildeste Gerüchte ranken sich um Sheriff, manche behaupten, dass das wirklich große Geschäft unter der Wasserlinie dieses Eisbergs verborgen liegt: Schmuggel und organisiertes Verbrechen aller Art. Die äußerst restriktive Informationspolitik des Konzerns hilft da nicht weiter. Im Gegenteil.

Faktum ist, dass man der kickenden Abteilung die glänzendste Sportanlage weit und breit verordnet hat. Das 2002 eröffnete Areal in Tiraspol umfasst neben dem Stadion für 13.300 Zuschauer mehrere Trainingsplätze, einer davon als Halle winterfest gemacht. Dazu kommen eine Fußball-Schule, Residenzen für die Profis, sowie ein Fünfstern-Hotel. Kostenpunkt: etwa 160 Millionen Euro.

Dass das Sheriff-Stadion lange Zeit das einzige war, in dem die moldauische Nationalmannschaft ihre Heimspiele austragen konnte, dürfte den örtlichen Potentaten das wohlige Gefühl verschafft haben, den cisnistrischen Rivalen wieder einmal eins ausgewischt zu haben. Zu schlucken hatte man dafür allerdings, dass in Tiraspol - wie von der UEFA verordnet - die moldauische Hymne zu hören und auch dessen Fahne zu sehen war. Außerdem mussten die Eintrittskarten in moldauischer Sprache bedruckt werden.

Es dauerte bis 2010 bis der erste politische Vertreter der Republik Moldau das Stadion betreten durfte. Der damalige Premier Vlad Filat war zugegen, als sich Sheriff - gegen den FC Basel, und wieder einmal glücklos - um den Einzug in die Champions-League-Gruppenphase bemühte. Sehr wohl jedoch gelang ein solcher in der Europa League. Insgesamt drei Mal war der Klub dort vertreten, und mit Siegen gegen namhafte Gegner wie Twente Enschede und Dynamo Kiew gelangen punktuell auch durchaus erwähnenswerte Erfolge.

Grödig und Krankl

Für die moldauische Nationalmannschaft kann ähnliches eher nicht behauptet werden, außer man wertet das 1:0 gegen das Österreich Hans Krankls in der EM-Qualifikation 2002/03 als einen solchen.

Nach Tiraspol geht es anno 2014 aber nicht mehr. Diesmal wird in der Hauptstadt Chișinău gespielt, das mit dem Stadionul Zimbru mittlerweile ebenfalls ein schmuckes Kleinstadion (10.500 Plätze) vorweisen kann. Der SV Grödig kenne es schon, die Salzburger wurden dort im August trotz eines 1:0-Sieges von den Hausherren des FC Zimbru aus der Europa League hinauskomplimentiert. (Michael Robausch - derStandard.at, 8.10. 2014)