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Nach sieben Monaten Haft wurde Moazzam Begg am 1. Oktober aus dem Belmarsh-Gefängnis im südlichen London entlassen. Die Terrorvorwürfe waren überraschenderweise fallengelassen worden.

Foto: AP/Pitarakis

Ein geplatzter Terrorprozess sorgt in Großbritannien für unbequeme Fragen an Politik und Ermittlungsbehörden. Kurz vor dem Verfahren, das am Montag in London beginnen sollte, ließ die Staatsanwaltschaft alle Vorwürfe gegen den früheren Guantánamo-Häftling Moazzam Begg fallen. Der Islamist hatte 2012 mehrere Reisen nach Syrien unternommen und dabei angeblich geglaubt, er handele im Einklang mit der damaligen britischen Außenpolitik. Jetzt plant Begg eine Klage gegen den britischen Staat wegen Freiheitsberaubung: "Ich hätte mich gern vor Gericht verteidigt."

Begg geriet als Betreiber einer islamischen Buchhandlung in Birmingham erstmals 2000 ins Visier des Staatsschutzes. Kurz darauf übersiedelte er mit seiner Familie nach Afghanistan, wurde 2002 in Pakistan festgenommen und als Terrorverdächtiger nach Guantánamo Bay überstellt.

Seit seiner Freilassung ohne Anklage 2005 engagiert sich Begg mit der Organisation Cage (Käfig) für islamistische Terrorhäftlinge. Weil die britische Regierung seine Inhaftierung im US-Gefängnis geduldet hatte, erhielt Begg im Rahmen eines Vergleichs eine hohe, sechsstellige Entschädigung.

Mehrfach in Syrien

Ähnlich könnte auch die jüngste Episode ausgehen. Begg war 2012 und 2013 mehrfach nach Syrien gereist. In Interviews beschrieb er seine Mithilfe in Trainingcamps für Gegner des Regimes von Bashar al-Assad. Es sei um Fitness, Erste Hilfe und rudimentäre militärische Ausbildung gegangen. Seine Schützlinge waren "Ärzte, Ingenieure, Lehrer, alle möglichen Freiwilligen, normale Leute ohne Training. Sie wären abgeschlachtet worden."

Begg wurde zwischen seinen Trips mehrfach vom Inlandsgeheimdienst MI5 angesprochen; bei einem Treffen im Beisein von Anwälten habe er ausdrücklich gefragt, ob er erneut nach Syrien fahren dürfe. "Von uns aus besteht kein Hindernis", habe die Antwort gelautet. Der TV-Sender Channel Four fragte ihn direkt, ob er für den britischen Geheimdienst gearbeitet habe. "Keineswegs", sagt Begg, "wir sind Gegner."

Distanzierung von IS

Die Syrien-Reisen des prominenten Islamisten fiel in die Phase, als die britische Regierung noch die breite Koalition gegen Assad-Gruppen unterstützte. Dazu zählten von Anfang an auch fanatische Vorläufer der Terrortruppe Islamischer Staat (IS). Geheimdienstkenner Anthony Glees von der University of Buckingham hält es für "nicht unplausibel, dass Begg den Wünschen des britischen Geheimdienstes zu entsprechen glaubte". Allerdings habe es sich dabei um den Auslandsdienst MI6 sowie dessen US-Pendant CIA gehandelt.

Die konservativ-liberale Koalition unter Premierminister David Cameron dachte schon 2012 laut über eine Intervention in Syrien nach. Im August 2013 wurden Luftschläge gegen Bashar al-Assad wegen dessen Einsatzes von Chemiewaffen vom britischen Parlament abgelehnt. Gleichzeitig wandelte sich langsam die Einschätzung der syrischen Opposition. Mittlerweile gilt die Terrormiliz IS als die größte Bedrohung. Mit diesen Fanatikern habe er nie zu tun gehabt, beteuert Begg. Seinen Pass zog das Innenministerium Ende 2013 ein, vergangenen Februar folgte die Inhaftierung. Der Prozess endete mit einem formellen Freispruch. Die Kronanwaltschaft ließ alle Vorwürfe fallen, nachdem der MI5 neue Unterlagen vorgelegt hatte.

Begg fordert jetzt eine Entkriminalisierung von Syrien-Reisenden. "Wir sollten nicht junge Männer für Jahre ins Gefängnis stecken, weil sie die britische Außenpolitik falsch eingeschätzt haben." (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 7.10.2014)