Darf ein sozialdemokratischer Minister das? Einfach den Zugang zum Pflegegeld erschweren? Freunde macht sich Rudolf Hundstorfer mit seinem Plan sicher nicht, wie erste Reaktionen – auch aus der eigenen Partei – zeigen.
Dennoch ist die klare Antwort: Ja, er darf. Wenn in den unteren Stufen des Pflegegelds nur wenige Menschen tatsächlich Pflegekräfte engagieren, wie das derzeit der Fall ist, ist das ein klarer Hinweis darauf, dass das jetzige System nicht sehr treffsicher ist.
De facto ist das Pflegegeld derzeit in sehr vielen Fällen ein Pensionsaufbesserungsgeld. Die Politik versucht Versäumnisse im Pensionssystem zu kaschieren. Was damit gemeint ist: In Österreich gab (und gibt) es traditionell immer Schlupflöcher, um in Frühpension zu gehen. Das ist zwar auf den ersten Blick für die Betroffenen angenehm, führt aber natürlich auch dazu, dass die Pensionen in vielen Fällen sehr niedrig (am oder unter dem Existenzminimum) sind.
Da es in der Öffentlichkeit schwer zu argumentieren ist, diesen Frühpensionisten auch noch einen Pensionszuschlag zu gewähren, hat man sich für den Umweg Pflegegeld entschieden. Es ist relativ leicht, diese Leistung in Anspruch zu nehmen, was dazu geführt hat, dass mittlerweile mehr als 450.000 Menschen angeben, mehr als 60 Stunden Unterstützung pro Monat zu benötigen.
Diese Stundenanzahl nun auf 65 zu erhöhen kann aber natürlich nur ein Ansatzpunkt sein. Wesentlich effizienter wäre es freilich, nur noch tatsächlich nachweisbare Pflegeleistungen zu fördern. Beispielsweise könnten statt des Pflegegelds Gutscheine ausgegeben werden, mit denen man sich Leistungen kaufen kann.
Diskutiert wurde dieser Vorschlag bereits wiederholt, auch vom Sozialminister. Bei den Seniorenvertretern, auf deren Unterstützung man weder bei der SPÖ noch bei der ÖVP verzichten kann und will, stößt man damit aber auf Ablehnung. Sie haben eifrig mitgeholfen, Reformen im Pensionssystem zu verschleppen, und wollen nicht auf das Pensionsaufbesserungsgeld verzichten.
Solange aber weiter mehr oder weniger im Blindflug gefördert wird, fehlen die Mittel für jene, die sie wirklich brauchen. Sie werden kein Verständnis dafür haben, dass es erst 2016 die erste jährliche Erhöhung des Pflegegelds seit 2009 gibt. (Günther Oswald, derStandard.at, 7.10.2014)