Jö, da war's wieder! Das empörte Rufzeichen-Stakkato. Das Japsen nach Luft, Aufmerksamkeit und einem schlüssigen Satzende.

Heinz-Christian Strache wurde bezüglich der momentanen "Asyldebatte" von Corinna Milborn am Sonntag in einem Puls-4-Interview mit einem Bild der Gebrüder Moped konfrontiert: 400 schwarze Strichmaxerln stehen einem einzigen roten Strichmaxerl gegenüber. Darunter zu lesen: "0,25 % Prozent der österreichischen Bevölkerung sind Asylwerber. Hilfe, wir werden überschwemmt!" Na, mehr brauchst nicht, um einen HC auf Turbo-Volk zu schalten: "Verkaufen S' doch die Österreicher nicht für dumm! Wir haben in Österreich neun Millionen Menschen. 1,3 Millionen sind Flüchtlinge!"

Hoppala! 1,3 Millionen sind Flüchtlinge? Als aufmerksame Staatsbürger haben wir uns doch mit den gut nachlesbaren Zahlen beschäftigt: Es leben momentan 55.598 anerkannte Flüchtlinge in Österreich. Es leben etwa 23.000 Asylwerber in Österreich, also jene, die auf ihren Asylbescheid warten. Selbst wenn man diese beiden Gruppen zusammenzählt, könnte nicht einmal jeder der 80.000 einheimischen Millionäre einen Flüchtling bei sich zu Hause aufnehmen.

Haben wir da in den letzten Tagen wieder einmal einen Tsunami verschnarcht? Hat uns die Asylindustrie erneut im Schlaf links außen überholt? Also letztes Jahr waren's 17.503 Personen, die im gesamten Bundesgebiet um Asyl angesucht haben. Da müssten wir schon sämtliche Niederösterreicher dazunehmen, die im letzten Jahr aus ihrer Heimat nach Wien ausgewandert sind (33.000), um am Sonntag gegen Montenegro ein volles Happel-Stadion zusammenzukriegen.

Aber heuer ist die Lawine doch erst angerollt – das wird's sein! Telefonjoker: Insgesamt 8.395 Asylanträge im ersten Halbjahr 2014. Das sind exakt 155 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das sind dann wiederum 62 weniger, als hierzulande im Durchschnitt täglich Kinder geboren werden (217, mit und ohne Kopftuch). Aber die Zahl von 1,3 Millionen Flüchtlingen im Land, die wir "im Übermaß und gerne" aufgenommen haben, ist sicher richtig. Er hat uns nicht belogen.

Liegt wohl eher an der sozialromantischen Erblindung gewisser politischer Schrägparker, die das wahre Ausmaß nicht erkennen wollen. Oder Strache verwechselt nur die anständigen und ehrlichen heimischen Zahlen mit den Flüchtlingen, die Pakistan momentan aufgenommen hat. Das sind dann aber mehr. Nämlich 1,6 Millionen. Wie überhaupt 86 Prozent aller Flüchtlinge weltweit (16,7 Millionen) von Entwicklungsländern aufgenommen werden – können auch nie genug kriegen, die da unten.

Doch natürlich stimmt die Rechnung mit dem Wirt: 1,3 Millionen Flüchtlinge waren es insgesamt, die Österreich seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts bis heute aufgenommen hat. Und die hat er halt logisch folgernd der heutigen Bevölkerungszahl gegenübergestellt. Nämlich neun Millionen, wie er im Interview meinte. (Eigentlich sind's 8,507 Millionen – man wird doch noch ums Zehnfache der österreichischen Flüchtlingszahlen aufrunden dürfen.)

Straches minimale Rechen- und Logikfehler seien ihm in Hinblick auf seinen Freudentaumel über das heurige Jubiläum bitte verziehen. Vor 60 Jahren hat Österreich die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben und sich somit rechtlich verpflichtet, Flüchtlingen Schutz zu gewähren. Von Quoten, Höchstzahlen, "Überfüllung" oder ausschließlich blonden christlichen Kindern ist darin im Übrigen nichts zu lesen.

Flüchtlinge haben ein Recht auf Schutz, ein rechtsstaatliches Verfahren und – sobald ihnen von den Behörden der Status zuerkannt wurde – ein Recht auf Asyl. Das ist kein Gnadenakt. Das ist kein Zahlenspiel. Das ist Gesetz. Deshalb ist das Wort "Asylmissbrauch" auch ein semantisches Spompanadel.

Noch einmal, und das sagen wir in aller Klarheit: Wir haben nichts gegen FPÖ-Funktionäre (das andere Geschlechtsteil ist mitgemeint), solange sie sich integrieren, sie Deutsch können, sich an die Gesetze halten – und die Österreicher nicht für dumm verkaufen. (Martin Strecha-Derkics, derStandard.at, 9.10.2014)