Kulturkritiker mit Hang zu Wortwitz, Landleben und Masken: Renate Krätschmer (geb. 1942) und Jörg Schwarzenberger (1942-2013) teilten die Vorstellung vom Leben als Gesamtkunstwerk.


Foto: K.U.SCH.

St. Pölten - Als Renate Krätschmer und Jörg Schwarzenberger alias "Künstlerkooperative K.U.SCH." anno 1978 von der Stadt aufs Land zogen, strebten sie ein Leben im Zeichen "ganzheitlich-kreativer Selbstverwirklichung" und im Einklang mit den Kreisläufen der Natur an. Eine Grenze zwischen Kunst und dem Rest, zwischen Objekten, Malerei, Performances, Filmen, Ziegenzüchten und Gemüseanbau wollte das Künstlerduo dabei nicht ziehen. Vom "Leben als Gesamtkunstwerk" ist immer wieder die Rede. Und so brachte K.U.SCH. nicht nur die Kunst aufs Land, sondern auch die Landwirtschaft in den White Cube: 1979 legte das Duo in der Secession ein Gemüsebeet an.

Das Künstlerdasein am Strohhof in Kirnberg bei Melk gestaltete sich indes als nicht unproblematisch. Die Anti-Heimat-Klischees vom Sozialdarwinismus und von den tiefen Schatten, die der Kirchturm wirft, sind halt nicht ganz an den Haaren herbeigezogen. So kamen irgendwann die Nachbarn mit der Heckenschere: "Die wollten, dass unser Hof genauso ausschaut wie ihrer", erzählt Renate Krätschmer. Irritiert sei man aber auch darüber gewesen, dass der Gartenzwerg am Strohhof kopfüber aufgehängt war: "Da bist du in der Nähe des Teufels", vermutet Krätschmer.

Blasphemisches Potenzial wird der Kopfüber-Zwerg im Landesmuseum Niederösterreich wohl kaum entfalten. Das Objekt ist dort derzeit Teil einer ebenso dichten wie sehenswerten Retrospektive zum holistisch gedachten Oeuvre von K.U.SCH., Untertitel: eine Themenpalette. Sie findet in memoriam Jörg Schwarzenberger statt, der im Vorjahr verstarb.

Dass man sich in der Schau angesichts der reihenweise an die Wand gelehnten Ritualstäbe mitunter an einen Baumarkt erinnert fühlt, diesen Tempel des kleinen Mannes als großem Naturbeherrscher, ist dabei schlüssig: Österreichkritik ist eine Konstante im Werk von K.U.SCH. Dass ein Video den Ausstellungsraum zuweilen mit Marschklängen beschallt, tut das Seinige dazu, dass dieser Bezug nie ganz verloren geht.

Auf diesen Aspekt reduzieren sollte man das Werk von Krätschmer und Schwarzenberger jedoch nicht. Von Verbissenheit ist K.U.SCH. ebenso weit entfernt wie von hippieskem Eskapismus. In den vielgestaltigen Arbeiten bewahrt sich trotz Pointiertheit stets eine erfrischende Uneindeutigkeit. Etwa in dem Video Wenn der Existenzkasperl zittert, für das Schwarzenberger eine rot-weiße Handpuppe auf einen Rasenmäher montierte, wo sie motorisierte Aggression in einen Tanz verwandelt. Wenn der Zeigefinger erhoben wird, dann meist zum Dirigieren einer Vielstimmigkeit.

Vielstimmige Religion

Anarchisch kommen so auch jene Masken, Schilde und Stäbe daher, die das Künstlerduo aus der Beschäftigung mit entlegenen Kulturen entwickelte. "Spiritualität ist in Ordnung, gefährlich ist die Religiosität", sagt Krätschmer im Standard-Gespräch. Verwendet wurden die absurden Kultgegenstände aus Natur- und Kulturbruchstücken für ein Prozessionstheater: Zirka 50 Teilnehmer schritten durch die Altstadt in Krems, wobei an bestimmten Stationen, etwa vor Geschäftslokalen, Theaterstücke und Performances aufgeführt wurden. Die produktive Konfrontation mit der Bevölkerung war K.U.SCH. auch in anderen Projekten ein Anliegen.

In St. Pölten ist schließlich auch Sohn Sito Schwarzenberger vertreten, der seit 2006 der Künstlerkooperative angehört und das Werk der Eltern in die neuen Medien verlängert. In seinen computergenerierten Grafiken und Animationen verbindet sich die frühe ästhetische Forschung der Eltern mit deren Konsumkritik - bezieht sich Sito Schwarzenberger doch nicht zuletzt auf die Sphäre der Icons und Logos. (Roman Gerold, DER STANDARD, 8.10.2014)