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Vitamin D wird mit Hilfe von UV-B-Strahlung gebildet.

Foto: Jens Büttner/dpa

Kaum eine andere Substanz wurde in den letzten Jahren so kontrovers diskutiert wie Vitamin D. Wissenschafter der Medizinischen Universität Graz identifizierten bei Intensivpatienten einen häufig auftretenden Vitamin-D-Mangel und sehen darin einen der Gründe für die hohe Sterblichkeit. Den aktuellen Untersuchungsergebnissen zufolge kann eine hochdosierte Gabe von Vitamin D bei hochgradigem Vitamin-D-Mangel die Mortalität Schwerkranker senken.

Vitamin D spielt im Körper vor allem beim Knochenaufbau sowie in der Regulierung des Calcium-Spiegels im Blut eine wesentliche Rolle. In den letzten Jahren zeigte sich jedoch, dass Vitamin D auch bei anderen Organsystemen wie dem Immunsystem eine sehr wichtigen Part hat.

Durch die Einwirkung von UV-Strahlung wird es in der Haut gebildet. Über die Nahrung kann es vor allem in Form von manchen Fischen aufgenommen werden oder auch als Zusatz in Nahrungsergänzungsmitteln. "Die Bedeutung des Vitamin D bzw. des Mangels an Vitamin D für die Gesundheit wurde in den letzten Jahren sehr kontrovers diskutiert", sagt Karin Amrein von der Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Medizinischen Universität Graz.

In einer aktuellen Studie in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit verschiedensten Fachrichtungen (unter anderem Anästhesiologie und Neurologie) untersuchten Wissenschafter rund um Karin Amrein, inwiefern die hochdosierte Gabe von Vitamin D bei Intensivpatienten mit Vitamin-D-Mangel die akute Prognose (Krankenhaus-Aufenthaltsdauer, Sterblichkeit) beeinflusst.

Studie mit Hochdosis

Die Grazer Wissenschafter schlossen 492 Probanden auf der Intensivstation mit Vitamin-D-Mangel und unterschiedlichen schweren Erkrankungen in die klinische doppelblinde, randomisierte Interventionsstudie ein.

Eine Gruppe wurde mit einer hohen Vitamin-D3-Dosis über bis zu fünf Monate behandelt, während die Kontrollgruppe ein Placebo erhielt. "Ziel unserer Studie war in erster Linie die Beobachtung der Dauer des Krankenhausaufenthaltes sowie Kenntnisse über die Sterblichkeit im Krankenhaus zu gewinnen", zählt Amrein auf.

Die Studienergebnisse zeigen, dass es keine signifikanten Unterschiede in der Aufenthaltsdauer im Krankenhaus zwischen der Vitamin-D-Gruppe und der Kontrollgruppe gibt. Ebenso konnten die Wissenschafter beobachten, dass es in der Sterblichkeitsrate der gesamten Studienpopulationen keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen gab.

Wirkung auf Schwerkranke

Differenziert man die beiden Gruppen nun hinsichtlich des Vitamin-D-Spiegels zu Beginn der Studie, so machten die Wissenschafter eine erstaunliche Entdeckung. Schwerkranke Patienten, die zu Studienbeginn einen stark erniedrigten Vitamin-D-Spiegel aufwiesen (fast die Hälfte der Gesamtpopulation) und mit dem hochdosierten Vitamin D3 behandelt wurden, hatten gegenüber der Kontrollgruppe eine deutlich geringere Sterblichkeitsrate. Bei Patienten mit einem leicht erniedrigten Vitamin-D-Spiegel zu Studienbeginn konnte dieser Effekt nicht beobachtet werden, jedoch wiesen diese nach sechs Monaten eine deutliche Verbesserung einiger anderer Parameter auf.

"Obwohl unsere Studienergebnisse für die Länge des Spitalsaufenthalts und Sterblichkeit in der Gesamtgruppe keine Unterschiede zwischen den zwei Gruppen zeigten, ist die spektakuläre Reduktion der Spitalssterblichkeit bei der vordefinierten Subgruppe sehr vielversprechend", fasst Amrein zusammen. Obwohl schwerkranke Patienten aktuell "nur" rund ein Prozent aller stationär aufgenommenen Patienten im Krankenhaus ausmachen, verursachen sie doch mehr als zehn Prozent der gesamten Spitalskosten und tragen dabei ein hohes Sterberisiko.

Bisher haben nur wenige Interventionen jemals das Risiko für die Sterblichkeit auf Intensivstation senken können.

Folgestudien notwendig

"Das Phänomen, dass kritisch Kranke einen niedrigen Vitamin-D-Status haben, kann weltweit beobachtet werden", so Amrein. Daher haben die Grazer Studienergebnisse ein enormes Potenzial in Bezug auf die Therapie schwerkranker Erwachsener und auch Kinder.

Amrein sieht in der Vitamin-D-Therapie eine gute Möglichkeit, um Intensivpatienten zusätzlich zu anderen Therapiemöglichkeiten zu behandeln: "Unsere Studie ist die erste große Studie zu Vitamin D auf Intensivstationen weltweit. Bei kritisch Kranken sollte nun eine Vitamin-D-Messung etabliert werden, da bei schwerem Vitamin-D-Mangel die Vitamin-D-Therapie die Sterblichkeit zu senken scheint. Es sind jedoch unbedingt detailliertere und größere Interventionsstudien nötig, um unsere Ergebnisse zu bestätigen und den Mechanismus der Reduktion der Mortalität zu entziffern.". (red, derStandard.at, 8.10.2014)