Eggenfelden - Für die Operette ein wohl ungewöhnliches, makabres Finale: Nach einem Massaker treffen sich alle Figuren im Jenseits. Topalovic & Söhne ist ein Belgrader Bestattungsunternehmen und die Familie, der es gehört, ungewöhnlich langlebig, denn der Umgang mit dem Tod scheint sie immun gegen das Sterben gemacht zu machen; als mit 156 Jahren der agile Ururgroßvater plötzlich stirbt, brechen Erbstreitigkeiten auf.
Zwar wirft das Geschäft mit dem Tod sichere Renditen ab, doch Verbrennungsöfen als neue Geschäftsidee sind bei den Topalovic umstritten oder kriminell, wie das Recyceln von Särgen, die man sich zuvor von Grabräubern ausbuddeln lässt.
Topalovic & Söhne geht auf den serbischen Kultfilm Die Marathonläufer laufen die Ehrenrunde zurück, der eine Verfilmung eines erfolgreichen Dramas des Emir-Kusturica-Drehbuchautors Dusan Kovacevic aus den 70er-Jahren ist.
Für die neuerliche Bearbeitung als Balkanoperette hat der in Bulgarien geborene österreichische Schriftsteller Dimitré Dinev die Rollen der beiden Frauen gegenüber dem männerdominierten Familienunternehmen aufgewertet und das ursprünglich in den 30er-Jahren spielende Geschehen in die Gegenwart versetzt.
Kein serbischer Theaterdirektor will die schöne Lana zur Darstellerin eines Pornofilms machen, sondern ein amerikanischer Soldat, dessen Flugzeug beim Nato-Einsatz im Jugoslawienkrieg abgeschossen wurde. Er taucht unter und verbrüdert sich bald mit der mafiösen Familie Topalovic.
Mit der Balkanoperette eröffnet Karl M. Sibelius, ehe er 2015 als Intendant nach Trier wechselt, seine dritte Spielzeit im Theater an der Rott. Dem kleinen Landkreistheater im 13.000 Einwohner zählenden niederbayrischen Ort Eggenfelden hatte Sibelius rasch überregionale Aufmerksamkeit verschafft, weil er konsequent einen Dreispartenbetrieb durchgezogen und dabei Formate wie Wirtshausoper, Stuben- und Kammeroper entwickelt hat.
Topalovic & Söhne ist bestimmt von der Musik, die Nebojsa Krulanovic für die Band Jazzwa komponierte. Komponiert ist das Geschehen für Schauspieler und Sängerinnen, wobei Lana Cencic besonderen Eindruck macht.
Effektvolle Pinkelpause
Als Amerikaner Danko ist Sebastian Gerasch ein Operettenstrizzi. Auch die deutschsprachigen Schauspieler singen serbokroatisch, und vielleicht wäre die Operette in einem Balkanvereinslokal noch besser aufgehoben gewesen als auf der Guckkastenbühne.
Regisseurin Manuela Kloibmüller siedelt das Geschehen in einem mit Teppichen ausgelegten Einheitsbühnenbild an, darin Krematoriumsofen und im Bühnenboden Särge. Zwar lassen sich mafiöse Geschäftspraktiken nicht so deutlich abgrenzen, aber selbst Autofahrten sind durchaus bühnenwirksam, eine Pinkelpause des Urgroßvaters (Lorenz Gutmann) eine der effektvollsten Nummern. Dennoch: Bei allem Humor bleibt das Lachen über das Balkangrab im Halse stecken. (Bernhard Doppler, DER STANDARD, 9.10.2014)