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Die Künstlerin Kriszta ,Tereskova' Nagy versteht ihre mehr als hundert bearbeiteten Orbán-Porträts als Weckruf an eine gespaltene Nation.

Foto: REUTERS/Laszlo Balogh

Viktor Orbán tourt durch Ungarn. Er macht Wahlkampf für die Regional- und Gemeindewahlen an diesem Sonntag. Der rechtsnationale Regierungschef schüttelt Hände, klopft den Bürgermeistern seiner Fidesz-Partei auf die Schulter. Seinen Fans verspricht er neue Arbeitsplätze und höhere Löhne. Orbáns Stab sorgt dafür, dass keine unbotmäßigen Fragen gestellt werden. Emotionen wie bei der greisen Frau mit weißem Haar, die am Dienstag im südungarischen Szeged Orbáns Arm umklammerte und ergriffen schluchzte, sind durchaus erwünscht.

Orbáns Macht ist gefestigter denn je. Schon in diesem Frühjahr gewann Fidesz die Parlaments- und die Europawahlen. In der Volksvertretung reichte es, nach zugeschnittenen Wahlrechtsnovellen, für eine erneute Zweidrittelmehrheit, bei einem Stimmenanteil von 45 Prozent. Nun macht eine drastische Steuer auf Werbeeinnahmen den privaten TV-Sendern schwer zu schaffen. Jüngste Polizeirazzien und steuerbehördliche Maßnahmen gegen Nichtregierungsorganisationen und Bürgerrechtsvereine setzen die kritischen Stimmen aus der Zivilgesellschaft unter Druck.

Fidesz wird dominieren

Die Wahlen am Sonntag versprechen keine großen Überraschungen. Die Orbán-Partei wird, wie schon 2006 und 2010, das Feld dominieren. Die faktisch fragmentierte Linke werde sich immerhin einige Städte und Budapester Stadtbezirke zurückholen, meint der Wahlforscher Róbert László vom Budapester Thinktank Political Capital: "Fidesz wird ein paar Einbußen hinnehmen müssen, aber es werden keine Verluste sein, die die Regierungsmacht in irgendeiner Weise erschüttern."

Gestärkt dürfte aus diesem Urnengang die rechtsextreme Jobbik hervorgehen, die 20 bis 30 Bürgermeisterämter - statt bisher zwölf - erobern könnte. In der unter der Depression leidenden nordungarischen Industriestadt Miskolc ist das Rennen völlig offen. Der Fidesz-Bürgermeister, der linke und der Jobbik-Kandidat haben laut Umfragen gleiche Chancen. Die drei Blöcke überbieten einander in Roma-Feindlichkeit.

Linkes Trauerspiel

In der Hauptstadt Budapest, wo die Opposition an sich gute Chancen gehabt hätte, bot die Linke ein Trauerspiel. Monatelang vermochte sie sich auf keinen gemeinsamen Oberbürgermeisterkandidaten zu einigen. Als sie schließlich den ehemaligen Obersten Arzt des Landes, Ferenc Falus, nominierte, tappte dieser mit ungeschickten Medienauftritten von einem Fettnäpfchen ins nächste. Vor zehn Tagen legte Falus die Kandidatur zugunsten des rechtsliberalen Exfinanzministers Lajos Bokros zurück. Dieser wird aber nur von Teilen der Linken unterstützt. Seine Chancen gegen Amtsinhaber István Tarlós (Fidesz) sind minimal.

Orbán änderte auch vor dieser Wahl die Spielregeln. Der Gemeinderat von Budapest wird erstmals seit der demokratischen Wende vor 24 Jahren nicht mehr gewählt. Ein kompliziertes Delegierungssystem würde eine Fidesz-Mehrheit selbst dann garantieren, wenn die Opposition nicht so konfus aufträte. Bei den Wahlen zu den Komitatsräten sind erstmals die Bürger bestimmter Großstädte - der sogenannten komitatsfreien Städte - nicht wahlberechtigt. Dies sorgt für bombensichere Fidesz-Mehrheiten.

Für die Zeit nach der Wahl rechnet Analyst László mit neuen Offensiven Orbáns: "Der 'Freiheitskampf gegen Brüssel', die Rhetorik gegen die europäischen und globalen Institutionen, wird wieder zugespitzt." Weitere Konflikte mit der EU, den Banken und mit Investoren seien programmiert. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 9.10.2014)