Das Gebiet vermuteter Gasfelder vor Zypern.

Warum das jetzt sein muss? Solon Kassinis, der frühere Chef des Direktorats für Energie im Industrieministerium, in Nikosia überlegt und mutmaßt: "Vielleicht wegen des 'Islamischen Staats'. Die Türken nehmen jede Gelegenheit wahr, um die Aufmerksamkeit davon abzulenken."

Muskelspielen vor den Wählern schadet jedenfalls nie. Am Freitag vergangener Woche kam ein NAVTEX aus Ankara, eine Navigationsmeldung für alle Seeleute. Darin stand: Von 20. Oktober bis 30. Dezember sind wir unterwegs. Unser Forschungsschiff schippert südlich vor Zypern für seismische Untersuchungen des Meeresbodens.

Den angegebenen Koordinaten zufolge lässt die staatliche türkische Mineralölgesellschaft TPAO in Zyperns Ausschließlicher Wirtschaftszone (EEZ) forschen, was kein größeres Problem für die türkische Regierung darstellt, da sie weder das EU-Mitglied Zypern noch dessen 200-Meilen-Zone auf See anerkennt. Die Route führt durch die potenziellen Gas- und Ölfelder zwischen Zypern und Ägypten. Nikosia hat sie in "Blöcke" aufgeteilt und nach internationalen Ausschreibungen an Mineralölgesellschaften vergeben. Das türkische Forschungsschiff zieht durch die Blöcke 1, 2, 3 und 8 und steuert dann Block 9 an. Dort hat gerade das italienisch-koreanische Konsortium ENI/KOGAS Probebohrungen begonnen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Ankara Gasbohrungen zu stören versucht. 2011 war es so, als die texanische Noble in Block 12 fündig wurde. Im Februar dieses Jahres drängte eine türkische Fregatte ein norwegisches Forschungsschiff aus Block 9; dieses wollte dort Untersuchungen im Auftrag des französischen Total-Konzerns durchführen. Dieses Mal aber geht Ankara mit seinem neu erworbenen Forschungsschiff samt angeheurtem (ebenfalls) norwegischem Forscherteam gleich durch mehrere Blöcke auf lange Erkundungstour. Der Name des Schiffs: "Barbaros Hayreddin Pascha", so benannt nach dem illustren osmanischen Admiral (1478–1546), Eroberer des Mittelmeers, Siegreicher von Algier, Besatzer von Tunis, Heimsuchung Apuliens, erfolgreicher Belagerer von Nizza (im Verein mit den Franzosen) und Einverleiber der ägäischen Inseln, unter anderem. Die Niederlage in der Seeschlacht von Lepanto (1571) anzusehen blieb ihm erspart.

Der neue Feldzug der in Dubai gebauten "Hayreddin Pascha" hat diese Woche gleich politische Folgen nach sich gezogen: Zyperns Präsident Nicos Anastasiades erklärte die Aussetzung der Verhandlungen über die geteilte Insel. Die Gespräche liefen seit Februar wieder, angeschoben von den USA und der Türkei. Im am Mittwoch vorgelegten Bericht der EU-Kommission über den Fortschritt der Beitrittsverhandlungen mit ihrem Kandidaten Türkei liest man beim Punkt Zypern: "Die Türkei gab jedoch Erklärungen ab und unternahm Handlungen, die das Recht der Republik Zypern auf Ausbeutung von Energieressourcen in Zyperns Ausschließlicher Wirtschaftszone zum Nutzen aller Zyprer in Frage stellten." Gleichlautend wie im Fortschrittsbericht 2013. (Markus Bernath, derStandard.at, 9.10.2014)