Vor zwei Jahren erschien Robert Menasses Buch Der Europäische Landbote. Darin schildert der Schriftsteller seine Erfahrungen mit und in den EU-Institutionen in Brüssel und entwarf sein Bild, seine Vision, seine Idee von Europa: Die Nationalstaaten sollen zurückgedrängt werden, wichtig sei die europäische und die regionale Ebene. Den Nationalstaaten und ihren Interessen sagte Menasse schon 2012 den Kampf an.

Das Thema EU lässt Menasse nicht los, er spinnt diese Gedanken weiter und verbreitet sie in einer Reihe von Vorträgen, die in dem nun vorliegenden Buch gebündelt vorliegen: Dass es Reden sind, merkt man den Texten an. Menasse schafft es in sprachlich spannender Form, historische Entwicklungen zu beleuchten und Brücken zur Philosophie und Literatur zu schlagen, bevor er auf konkrete Projekte und Erfahrungen kommt. Er setzt sich auch mit dem Heimatbegriff auseinander und mit Stereotypen, wie sie in Europa vorkommen und tradiert werden. Er stellt Fragen in Zusammenhang mit Europa, die wir uns alle stellen. Auf einige davon versucht Menasse eine Antwort zu geben. Er kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Medien. Menasse sieht einen "Widerspruch zwischen der europäischen Realität und ihrer Widerspiegelung in den Medien".

Menasse tut das, was der langjährige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl stets eingefordert hat: den Bau des gemeinsamen Hauses Europa fortzusetzen. Er fügt verschiedene Gedankenbausteine hinzu und skizziert, wie das Europa von morgen aussehen könnte: Sein Plädoyer für ein Europa der Regionen fällt leidenschaftlich aus, seine Begründung: "Auf Dauer kann es kein supranationales Europa auf der Basis nationaler Demokratien geben". Konkret fordert er eine politische Aufwertung der Regionen und eine Abschaffung nationaler Einflussmöglichkeiten etwa über den Europäischen Rat. Den Einwurf, dies sei eine Utopie, lässt er nicht gelten. Die EU sei "von Anbeginn eine konkrete Utopie" gewesen.

Man muss nicht allen Schlussfolgerungen zustimmen, aber Menasse liefert Anstöße für die Weiterentwicklung des europäischen Projekts. Der Österreicher tritt damit als literarischer Utopist Europas in die Fußstapfen von Jürgen Habermas und Hans Magnus Enzensberger. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 10.10.2014)