Wien - Die digitale Kommunikation hat den Journalismus nachhaltig verändert. "Früher war der Taktgeber des Rudeljournalismus der Teletext, nun ist es Twitter", skizzierte "Kleine Zeitung"-Chefredakteurin Eva Weissenberger beim vierten Symposium des Friedrich Funder Institutes (FFI) Donnerstagabend in Wien. Die Demokratisierung des öffentlichen Diskurses habe letztlich positive wie negative Auswirkungen.
Darüber waren sich die Diskutanten auch grundsätzlich einig. Wobei "profil"-Herausgeber Christian Rainer keinen "großen Gleichklang" in der Medienbranche erkennen wollte. "In vielen Fällen handelt es sich eher um journalistische Professionalität", verwies er auf ähnliche Titelseiten bei wichtigen Ereignissen. "Das ist ein Filter, der Ausbildung heißt." Aus seiner Sicht sei Journalismus heutzutage "überlegter und weniger pöbelhaft im Ton".
Einfluss von Forenbeiträgen
Zu erkennen sei allerdings ein Einfluss von Forenbeiträgen auf die Wahrnehmung von journalistischen Inhalten, wie der deutsche Medienwissenschafter Wolfgang Schweiger eingangs darlegte. Er verwies aber gleichzeitig auf die gesellschaftliche Bedeutung dieses öffentlichen Diskurses. Und "Falter"-Medienredakteurin Ingrid Brodnig, die sich bereits in ihrem im Frühjahr veröffentlichten Buch "Der unsichtbare Mensch" intensiv mit diesem Thema beschäftigte, sprach sich für eine starke Moderierung der Foren aus. Zulange habe man sich nur über Klicks gefreut, ohne eine wirkliche Idee für die Kommentare zu haben. "Da lässt sich aber viel daraus machen."
Die Medien könnten die Verantwortung für die Beiträge auf ihrer Seite jedenfalls nicht von sich weisen. "Jedes Medium hat die Onlinedebatte, die es verdient", so Brodnig. Problematisch sei, dass "radikale Meinungen eher gepusht" werden. Eine liberalere Sicht vertrat "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter. "Das ein oder andere Schimpfwort" müsse man aushalten, wenngleich gewisse Dinge natürlich nicht zu tolerieren seien. Punkto Rudeljournalismus sah er auch das eigene Blatt kritisch und nannte etwa "Wut-Oma" Frieda Nagl als jüngstes Beispiel. "Das haben wir zu groß gemacht."
Zeitdruck und Personalknappheit
Als mögliche Erklärung für solche Phänomene nannte Brandstätter den Zeitdruck und die Personalknappheit in den Redaktionen. Galt es in der analogen Welt, nichts zu verpassen, müsse man nun "schnell genug" sein. "Das ganze Bild bekommt man aber nur dann, wenn man sich mit den Dingen beschäftigt." Ähnlich formulierte es Weissenberger: Man solle bei Twitter "nicht dauernd reinschauen und nicht dauernd mitmachen".
Letztlich lasse sich in sozialen Netzwerken "jeden Tag die kleine Empörung" beobachten, wie Axel Maireder von der Universität Wien in einem Vortrag über die "Dynamik der Netzöffentlichkeit" erläuterte. Thomas Weber von "The Gap" erkannte in der Netzcommunity aber auch ein wesentliches Asset für Journalismus, da die User zusätzlichen Input liefern könnten. "Die Achtsamkeit im Journalismus ist auch dadurch größer geworden." Angesichts der globalen Konkurrenz am Digitalsektor gelte es, "die Glaubwürdigkeit zu behalten und trotzdem nicht unterzugehen".
Klarnamen
Uneinigkeit herrschte bei der Frage, ob eine Klarnamenpflicht die Qualität und den Ton der Diskussionen verbessern würde. Während sich Rainer für ein "Zurückdrängen der Anonymität" und eine digitale Signatur aussprach, untermauerte Brodnig wiederholt die positiven Auswirkungen von konsequenter Moderation. Für Weissenberger geht es sich dabei um "eine Grundsatzentscheidung der Eigentümer". Bei der "Kleinen" entstehe gerade ein Dialogressort mit zehn Dienstposten, das sich um die Betreuung der Kommentare kümmern werde. "Auch wenn das wohl nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist." (APA, 10.10.2014)