Die Teilnehmer an der Piraten-Demo warnten vor drohender Zensur.

Foto: derStandard.at/Pichler

"Es gibt kein Menschenrecht auf Bruce Willis", meint VAP-Geschäftsführer Werner Müller.

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Am letzten Freitag (10.10.) demonstrierten etwa 30 bis 40 Aktivisten vor der WKO-Zentrale in Wien gegen Netzsperren. In dem Gebäude an der Wiedner Hauptstraße betreibt auch der Verein für Antipiraterie sein Büro. Organisiert worden war die Kundgebung von der österreichischen Piratenpartei.

VAP-Geschäftsführer Werner Müller statte der Kundgebung selbst einen Besuch ab. Der WebStandard hat mit ihm und mit dem netzpolitischen Sprecher der Piraten, Andreasr Czak, über die umstrittenen Sperrmaßnahmen geredet.

KinoX und Movie4K gesperrt

Kinox.to und Movie4K sind seit dem vergangenen Wochenende nicht mehr ohne weiteres für die meisten österreichischen Internetnutzer zugänglich. Aufgrund einer einstweiligen Verfügung, erwirkt vom VAP auf Basis von EuGH- und OGH-Urteilen, müssen A1, "3", Tele 2 und UPC besagte Webseiten unzugänglich machen.

Man betrachte die Maßnahme als Durchsetzung geltenden Rechts, betont Müller zur Vorgangsweise, da die Provider ihrerseits nicht tätig geworden waren. Dass die Sperrung umgesetzt werden müsse, sei seiner Ansicht nach seit zumindest einem Jahr absehbar gewesen.

"Niedrige dreistellige Anzahl an Seiten"

Und es werden nicht die einzigen Seiten sein, die künftig in Österreich nicht mehr angesurft werden können sollen. Der VAP verfügt über eine Liste an Seiten, die der Verein gegenüber der Filmwirtschaft als "strukturell rechtsverletzend" betrachtet. Zwar wollte Müller dem WebStandard keine genaue Zahl nennen, jedoch verriet er, dass es dabei aktuell um eine Anzahl an Seiten im "niedrigen dreistelligen Bereich" gehe.

Für diese werde man nun einzeln Sperranträge begründen, und diese den acht größten Providern des Landes zustellen. Sofern diese die Blockade nicht anfechten, gelte diese schließlich für über 95 Prozent aller österreichischen Internetnutzer.

IFPI will Pirate Bay sperren lassen

Der Netzsperrenurteile und des mit der einstweiligen Verfügung eingetretenen Präzedenzfalls wird sich auch der Musikindustrieverband IFPI bedienen. Unter anderem mit einen Sperrantrag gegen den bekannten Torrent-Indexer The Pirate Bay, wie man auf Anfrage bestätigt.

VAP will IP-Sperren erzwingen

Die Vertreter der Rechteinhaber fordern außerdem eine Verschärfung der Sperren. Die Provider setzen bislang nur sogenannte DNS-Sperren ein, über welche verhindert wird, dass eine URL korrekt zur richtigen IP umgewandelt wird, über welche die jeweilige Seite auf technischer Ebene schließlich angesteuert wird. Eine Maßnahme, die sich durch die Nutzung alternativer DNS-Server leicht umgehen lässt.

Der VAP will nun erneut den Gerichtsweg beschreiten, um die Einrichtungen von IP-Sperren zu erzwingen. Bei diesen wird ein direkter Aufruf der fraglichen Server unterbunden, eine Umgehung gestaltet sich hier bereits schwieriger

"Kein Menschenrecht auf Bruce Willis"

"Das Internet ist ein großer Apparat mit guten und bösen Seiten", sagt Müller. Die Gerichte würden das Recht auf Meinungsfreiheit stets würdigen, es gebe allerdings "kein Menschenrecht auf Bruce Willis". Er rechnet damit, dass die TV- und Filmindustrie bei Bedarf entsprechende Angebote schaffen wird, um Konsumenten schnellen und qualitativen Zugang zu ihren Lieblingsinhalten zu ermöglichen. Dabei verweist er unter anderem auf den wenige Wochen zurückliegenden Start von Netflix in Österreich.

Piraten: Geld für Künstler statt Lobbyarbeit

Viele europäische Kunden würden schon jetzt das amerikanische Netflix-Angebot per VPN nutzen, entgegnet dem Andreas Czak. Und mit einer VPN-Verbindung ließen sich auch IP-Sperren aushebeln.

Die Musik- und Filmindustrie solle das Geld, dass in Lobbyarbeit und gerichtliche Verfahren gesteckt wird, den Künstlern und der Entwicklung anderer Geschäftsmodelle zukommen lassen. Würden die Angebote den bestehenden Bedarf abdecken, wäre Piraterie längst kein Problem mehr.

Warnung vor Zensurapparat

Die einzige Möglichkeit, Seiten effektiv zu blockieren, bestünde aus einer automatischen, zentralisierten Blacklist für alle Betreiber. Eine solche böte jedoch gefährliches Missbrauchspotenzial.

Czak betont, dass Filesharing auch einen Werbeeffekt habe, ähnlich wie die von der Industrie forcierte Präsenz ihrer Inhalte in Fernsehen und Radio. Dazu seien Filesharer oftmals jene Käufer, die schließlich am meisten Geld für Medieninhalte ausgeben würden.

"Keine Gutmenschen und Idealisten"

Eine Gefahr für Seiten abseits von Plattformen wie KinoX.to sieht Müller nicht. Seiner Ansicht nach seien die Urteile in diesem Hinblick sehr klar formuliert. Es sei nicht zu befürchten, dass jemals eine Sperrung von Youtube bewilligt werden würde, nur weil dort gelegentlich Urheberrechtsverletzungen geschehen würden.

Er betont, dass es sich bei den Betreibern der Download- und Streamingplattformen nicht um "Gutmenschen und Idealisten" handle, sondern um Menschen, die im Schutze der Anonymität viel Geld durch Werbung verdienten. Dass die Identität der Hintermänner in solchen Fällen nur sehr selten geklärt werden kann, bringt Müller dabei indirekt ebenfalls als Grund für Netzsperren ins Spiel: "Wenn wir wüssten, wer hinter KinoX steht, müssten wir nicht gegen die Telekomprovider vorgehen". (Georg Pichler, derStandard.at, 12.10.2014)