"Bei vielen Postern sinkt offensichtlich die Hemmschwelle, wenn sie vermeintlich anonym per Knopfdruck ihre Botschaften ins Netz schicken": Brandstetter über die Sitten in Internet-Foren.

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STANDARD: Nach Deutschland hat nun auch die Schweiz ein Verbot der Terrororganisation "Islamischer Staat" beschlossen. Warum nicht auch Österreich?

Brandstetter: Die IS ist de facto verboten, weil das österreichische Strafrecht ohnehin harte Strafen gegenüber Personen vorsieht, die eine Terrororganisation unterstützen. Sowohl Staatsbürger als auch Menschen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht werden allein für die Mitgliedschaft mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht. Ein weiteres eigenes Verbot wäre reiner Populismus.

STANDARD: Stattdessen will die schwarze Regierungshälfe nun mit einem eigenen Maßnahmenpaket gegen den islamistischen Terror neue Paragrafen schaffen bzw. bestehende nachschärfen. Ist das juristisch nicht viel umständlicher - und angesichts von 140 Jihadisten, die von Österreich aus in den "Heiligen Krieg" aufgebrochen sind, auch recht medienwirksam?

Brandstetter: Grundsätzlich möchte ich festhalten, dass der neue islamistische Extremismus, zu dem Hassprediger Jugendliche verleiten, auch hierzulande ein Riesenproblem ist. Wo mein Ressort konkret nachschärfen muss, ist beim Verhetzungsparagrafen - und dass dies dringend notwendig ist, haben wir schon beim Platzsturm von Bischofshofen im Juli gesehen, bei dem propalästinensische Jugendliche bei einem Testspiel eine israelische Fußballmannschaft angegriffen haben.

STANDARD: Nach jetziger Gesetzeslage fällt der Platzsturm von Bischofshofen nicht unter den Verhetzungsparagrafen, weil dafür "eine breite Öffentlichkeit" von rund 150 Personen hätte aufgewiegelt werden müssen?

Brandstetter: Es könnte zum Problem werden, dass bei diesem Testspiel nur wenige Zuschauer waren. Und das ist der Punkt: Dort sind antisemitische Parolen skandiert und entsprechende Transparente geschwenkt worden, dazu gab es Gewalttaten. Aber für das Verfahren, das gerade läuft, muss man sich möglicherweise eines anderen Tatbestandes als der Verhetzung bedienen - und zwar der versuchten Körperverletzung. Damit sind wir bei einem vergleichsweise schwachen Delikt und beim Bezirksgericht. Das kann man nicht so belassen. Hier braucht es eine adäquatere juristische Reaktionsmöglichkeit auf jegliches totalitäre Gedankengut in Verbindung mit Gewaltbereitschaft - daher möchten wir den Verhetzungstatbestand präziser ausformulieren.

STANDARD: Sie sind dafür, dass entsprechende Handlungen künftig vor einem Publikum mit rund zehn Personen genügen?

Brandstetter: Richtig. Allerdings müssen wir parallel dazu auch die infrage kommenden Tathandlungen noch treffsicherer formulieren, weil ich nicht auch gleich jedes dumme Gerede am Stammtisch vom Verhetzungstatbestand erfasst wissen möchte. Es geht nicht um jede abfällige Bemerkung über eine Bevölkerungsgruppe im Bekanntenkreis, es geht um den konkreten Aufruf zu Gewalt in Verbindung mit entsprechenden Aussagen.

STANDARD: An nicht wenigen Stammtischen hierzulande kann man sich aber wohl zu fortgeschrittener Stunde jede Menge anhören, wer aller am besten gleich am nächsten Baum aufgeknüpft gehört. Eine juristische Gratwanderung?

Brandstetter: Definitiv - und genau das ist die Frage der legistischen Kunst, mit der sich mein Haus auch gerade beschäftigt, denn die Novelle soll so bald wie möglich im Laufe des nächsten Jahres in Kraft treten. Grundsätzlich will ich diese Art der Redereien hier sicher nicht verteidigen - dafür gibt es andere Tatbestände wie die Ehrenbeleidigung.

STANDARD: Unlängst haben Sie auch erklärt, dass das, was sich mitunter in den sozialen Netzwerken abspielt, nicht den Namen "sozial" verdient. Welche Maßnahmen schweben Ihnen gegen antisemitische, antiislamische und jihadistische Hassposter vor?

Brandstetter: Bei den Ermittlungsmöglichkeiten gegen sogenannte Hassposter wird sich im Zuge von verhetzenden Äußerungen nicht viel ändern. Schon jetzt kann man bei entsprechendem Richterbeschluss ja die Daten der betreffenden Personen ausheben lassen. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass offensichtlich bei vielen Postern die Hemmschwelle sinkt, wenn sie vermeintlich anonym per Knopfdruck ihre Botschaften ins Netz schicken.

STANDARD: Werden die Betreiber von Foren stärker in die Pflicht genommen?

Brandstetter: An dieser Stelle möchte ich schon an die freiwillige Selbstkontrolle der Medien appellieren, gegen solche Postings auch selbst vorzugehen, um den Missbrauch von Foren für kriminelle Zwecke zu verhindern und weitgehend abzustellen.

STANDARD: Rechnen Sie damit, dass die Verurteilungen wegen Verhetzung bald stark ansteigen?

Brandstetter: Nicht unbedingt - nicht zuletzt auch weil ich mir durch die neue Ausformulierung eine klare Signalwirkung erwarte, was in Österreich geht, was nicht.

STANDARD: Wie hoch stellen Sie sich die Strafandrohung vor, die derzeit bei bis zu zwei Jahren Haft liegt?

Brandstetter: Das gilt es noch mit den Fachleuten zu beraten.

STANDARD: Von Experten und der Islamischen Glaubensgemeinschaft wird gerade der Entwurf für das neue Islamgesetz Ihrer Regierungskollegen Sebastian Kurz (ÖVP) und Josef Ostermayer (SPÖ) als verfassungsrechtlich bedenklich zerpflückt. Ihr Urteil zum geplanten Gesetzeswerk?

Brandstetter: Ich bin mit meinen eigenen Projekten derart ausgelastet, dass ich bis dato noch keine Gelegenheit hatte, mir diesen Entwurf genau anzusehen.

STANDARD: Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass islamische Vereine nicht mehr aus dem Ausland gesponsert werden dürfen. Solche Restriktionen würden der Regierung bei der katholischen Kirche doch wohl nie einfallen?

Brandstetter: Klar ist: Zu diesem Thema wird es immer verschiedene Auffassungen geben. Das muss man in Kauf nehmen. Aber ich bin überzeugt davon, dass Kurz und Ostermayer sich das alles sehr genau überlegt haben.

STANDARD: Angesichts eines Schülerselbstmordes in Kärnten möchten Sie nun einen neuen Tatbestand bei Cybermobbing schaffen. Ihr vorgeschlagener Gesetzestext lautet: "Wer eine Person im Wege der Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems längere Zeit in ihrer Privatsphäre verletzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen." Was soll "längere Zeit" bedeuten?

Brandstetter: Hier müssen wir bis Mitte 2015 im Strafrecht eine gesetzliche Lücke schließen, weil virtuelles Mobbing bisher kaum verfolgbar ist. Die Frage des Zeitraums wird letztlich die Judikatur auslegen, hier muss man einen Spielraum lassen. Das wird auch von Fall zu Fall individuell sein, unter Umständen könnten für eine Verurteilung aber schon wenige Vorfälle etwa über zwei bis drei Wochen hinweg ausreichen.

STANDARD: Gerade Jugendlichen ist oft gar nicht bewusst, was Sie mit hämischen Postings auf Facebook bei Gleichaltrigen anrichten können - sollen auch sie mit Strafen bedroht werden?

Brandstetter: Nein. Bei Jugendlichen helfen Strafverschärfungen wenig. Das Wichtigste in diesem Bereich ist es, Bewusstsein zu schaffen, deswegen bin ich mit Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek im Gespräch, dass wir hier wie in den USA mit Experten in den Schulen ansetzen.

STANDARD: Wie genau?

Brandstetter: Ich denke, dass die Schüler am besten auch durch schulfremde Personen aufgeklärt werden könnten, etwa durch Polizisten oder Staatsanwälte. Das erhöht wahrscheinlich eher ihre Aufmerksamkeit, als wenn ausschließlich ihre Lehrer über das Phänomen referieren.

STANDARD: Befürchten Sie, sobald dieses Interview auf derStandard.at erscheint, einen Shitstorm?

Brandstetter: Wenn ich mich vor so etwas fürchten würde, dann würde ich meine Funktion nicht sinnvoll ausfüllen können. Ich lese Postings auch nur sehr unregelmäßig, denn das schaffe ich zeitlich gar nicht. Außerdem zähle ich auch hier auf Ihre freiwillige Selbstkontrolle, damit der Shitstorm, falls aus strafrechtlicher Sicht nötig, eingedämmt wird. (Peter Mayr Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 11.10.2014)