Ein Charakter aus dem Spiel "Revolution 60". Dessen Entwicklerin Brianna Wu musste nun aus ihrer Wohnung fliehen.

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Die US-amerikanische Entwicklerin Brianna Wu hat nach Morddrohungen ihre Wohnung in Boston verlassen, um an einem unbekannten, "sicheren" Ort unterzutauchen. Zuvor war Wu auf Twitter heftig von selbsternannten Anhängern der sogenannten "Gamergate"-Bewegung bedroht worden, unter anderem hatte ein Nutzer namens "Death to Brianna" ihre Adresse veröffentlicht. Die Polizei bestätigte dies; vor Wu war es bereits zu ähnlichen Vorfällen gekommen. Auf Twitter hat die Entwicklerin die Drohungen gegen sie öffentlich gemacht:

8Chan schlägt zu

Wu ist schon länger als Vorkämpferin für eine angemessene Darstellung von Frauen in Videospielen aktiv. Ihr letzte Veröffentlichung ist ein Spiel namens "Revolution 60":

Brianna Wu

In den vergangenen Monaten hatte sie sich laut Kotaku mehrfach kritisch gegenüber Teilen der "Gamergate"-Bewegung geäußert. Sie bemängelte, dass bestimmte Gruppen "Frauen in der Branche gezielt attackieren" würden. Dadurch wurde sie selbst zur Zielscheibe von Nutzern, die sich auf dem 8chan-Messageboard gegen sie zusammenrotteten.

Drohungen und Übergriffe

Tatsächlich war es in letzter Zeit vermehrt zu verbalen Übergriffen und Drohungen gegen Entwicklerinnen und Journalistinnen gekommen. Auch die Spiele-Entwicklerin Zoe Quinn musste ihr Zuhause wegen Morddrohungen verlassen. Ihr war vorgeworfen worden, mit Games-Journalisten geschlafen zu haben, um bessere Bewertungen für ihre Videospiele zu ergattern. Gerüchte, die eindeutig widerlegt wurden, sich aber hartnäckig halten. Nach Quinn wurde die Feministin Anita Sarkeesian zur Zielscheibe, die sich mit dem Image von Frauen in Videospielen beschäftigt hatte.

Transparenz als legitimes Anliegen

Wichtig ist dabei, dass nicht alle Unterstützer der Gamergate-Kampagne die Übergriffe gutheißen. Viele wollen mit der Bewegung für mehr Transparenz in der Spielebranche sorgen; etwa die Verbindungen zwischen Spieleherstellern und Journalisten offenlegen. Gleichzeitig haben die frauenfeindlichen Elemente zumindest in der Außenwirkung derart die Oberhand gewonnen, dass selbst einige engagierte Gamergate-Supporter dazu aufrufen, die Bewegung ruhen zu lassen. Auch in Gegenbewegungen steigt offenbar der Druck, laut Kotaku kam es auch zu Drohungen gegen Gamergate-Unterstützer.

Morddrohungen haben "Tradition"

Aber auch ganz abseits der aktuellen Debatte haben Morddrohungen in der Spielebranche leider Tradition. So wurde "Call of Duty"-Entwickler Robert Bowling eins mithilfe verdächtiger Päckchen eingeschüchtert, die ihm wegen kleiner Änderungen wütende Spieler geschickt hatten. Damals hätten Leute sogar seine Freundin angerufen und sie beschimpft, so Bowling. Allerdings würden die neue Welle an Gewalt(-bereitschaft) bisher Bekanntes übersteigen, so Kotaku.

"Das Potenzial zu Hass ist schier unendlich", so die Gaming-Website. Die bedrohte Entwicklerin Wu will vorerst das Licht der Öffentlichkeit meiden, aber sich nicht einschüchtern lassen. Über prompt folgende Unterstellungen, sie hätte die Geschichte erfunden, kann sie hingegen schon lachen: "Wenn ich meine Karriere zerstörten wollte, wüsste ich andere Wege", so Wu. (fsc, derStandard.at, 12.10.2014)