Diese Wut-Oma, nur damit mich da niemand falsch versteht, sie ist für sich ja völlig uninteressant. Sie wird jetzt durch die Mühle medialer Blödmaschinen gedreht, zerkaut, verdaut und ausgeschieden. Sie ist selbst ein Opfer, merkt es nur nicht. Diese mediale Wutproduktion ist aber interessant und dieses Wutbürgertum ein Symptom.

Wobei mir das Wort Wutbürgertum ja zunehmend unpassend erscheint. Weil in Bürgertum, da steckt ja der Bürger drin, Staatsbürgertum, der Bürger als Citoyen. Aber dieses Wutbürgertum ist in gewisser Weise ja ein Wut-Antibürgertum. Der bewusstlos Wütende, mit seinem differenzierungsunfähigen Groll, der ist ja das Gegenteil des Citoyen. Der Wütende ist ohnmächtig, aber verantwortungslos, und damit exakt das Gegenteil dessen, wie man sich einen Citoyen vorgestellt hat. Die allgemeine Verbreitung eines permanenten anlasslosen Zorns zerstört die Möglichkeit, auf rechtschaffene Weise zornig zu sein. Die Wut, einstmals eine produktive politische Emotion, ist zu einem peinlichen Gefühl geworden.

Fs Misik

(Robert Misik, derStandard.at, 12.10.2014)