Belgrad - Einen Protest vor dem Belgrader Rundfunk- und TV-Sender "B-92" , viele Jahre lang Symbol der Medienfreiheit in Serbien, hielt man bis vor kurzem noch für gänzlich undenkbar. Nun ist es so weit: Mehrere hundert Menschen, darunter Journalisten, Oppositionspolitiker und einfache Bürger, versammelten sich am Sonntagabend vor dem Sendergebäude in Neu-Belgrad.

Anlass ist die aus dem Programm gestrichene politische Talkshow "Eindruck der Woche". "Alles ist umsonst", zeigte sich ihre Autorin Olja Beckovic am Sonntagabend pessimistisch. Ihr anhaltender Streit mit der Geschäftsführung des in früheren Jahren oft für seine Beiträge international prämiierten Senders steckt in der Sackgasse. Die Aussichten, dass die Sendung erneut ins Programm aufgenommen wird, scheinen gering zu sein.

Am Sonntagabend wurden vor dem Sender Unterschriften für eine Petition an das Parlament gesammelt. Gefordert wird eine Debatte über die Mediensituation. Auch der städtische TV-Sender Studio B hatte in diesem Herbst zwei Polit-Talkshows vom Programm gestrichen. Auch vor diesem Sender gab es Proteste unzufriedener Bürger.

Die Sendung von Beckovic hat für manch einen Bürger Serbiens eine ganz besondere Bedeutung. Sie ist ein Symbol des einstigen Kampfes gegen das Regime von Slobodan Milosevic, aber auch ein Symbol der kritischen Meinung, egal wer gerade an der Macht ist. Bei führenden Landespolitikern war Beckovic schon immer unbeliebt.

Regierungschef Aleksandar Vucic hatte vor wenigen Tagen wieder einmal Vorwürfe zurückgewiesen, er stecke hinter dem Druck auf die Medien, über den Journalisten so häufig klagen. Trotzdem wird unter Beobachtern gerade Vucic hinter den jüngsten Geschehnissen um B-92 vermutet, beweisen kann dies natürlich niemand. Noch eine Elitesendung wird vom Senderprogramm verschwinden. Die Enthüllungssendung "Insider" wird es beim B-92 wohl nicht mehr geben. (APA, 13.10.2014)