Es regnet, als wir Celo & Abdi zum Interview treffen. Die beiden Rapper sind wegen der Verleihung der Goldenen Schallplatte an ihren Freund Nazar nach Wien gekommen. Beim Fotoshooting im Fußballkäfig neben dem Volkstheater finden sich trotz Schlechtwetters einige jugendliche Zaungäste ein, mit denen sie bereitwillig für Selfies posieren.
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ballesterer: Wie sind Sie mit dem Fußball in Berührung gekommen?
Celo: Mein Vater kommt aus Bosnien. Als ich fünf Jahre alt war, hat er mir ein Trikot vom FK Sarajevo gekauft. Ein Jahr später habe ich mein erstes Frankfurt-Trikot bekommen, "Eintracht Sportfan" ist hinten draufgestanden.
Abdi: Ich bin ein Sohn marokkanischer Einwanderer und habe mich wegen Jay-Jay Okocha für die Eintracht zu interessieren begonnen. Ins Stadion bin ich erst mit 18 oder 19 gegangen, mit den Ultras. Davor hab ich jahrelang im VIP-Bereich des Waldstadions gekellnert, aber das war etwas anderes.
Celo: Ich bin in Bornheim aufgewachsen, dem Stadtteil des FSV Frankfurt. Okocha hat auch dort gewohnt. Als Kinder haben wir immer bei ihm geklingelt und nach Autogrammen gefragt. Das war die revolutionäre Zeit der Afrikaner im Fußball – da gab’s noch keinen Eto’o und Drogba.
Frankfurt gilt als Zentrum des deutschen Hip-Hop. Welche Verbindungen gibt es zur Fußball- und Fankultur?
Abdi: Vega und Bosca waren die Ersten, bei denen ich das wahrgenommen habe. "Ultrakaos" hieß das Projekt damals. Das waren die ersten Supporter, die gerappt haben. Dann gab es Twin, den ersten Ackerläufer unter den Rappern. Und danach bin ich gekommen mit "Gewalttäter Sport Eintrag".
Im Hip-Hop ist Street Credibility besonders wichtig. Ist das eine Überschneidung mit den Ultras?
Abdi: In der Ultraszene ist Kameradschaft das A und O. Dieser Zusammenhalt hat mich fasziniert, als ich mit ihnen unterwegs war. Aber ich habe mich nie geboxt und zum Glück auch nicht strafbar gemacht.
Gehen Sie jetzt auch noch regelmäßig ins Stadion?
Abdi: Gar nicht mehr, leider.
Celo: Durch die Musik ist es unmöglich, weil wir fast immer im Studio sind oder unterwegs zu Terminen und Konzerten. Ich hab’s nicht einmal geschafft, die Eintracht zu gucken, als sie vergangene Saison im Europapokal gespielt haben.
Abdi: Das letzte Mal bei einem Spiel waren wir auf Einladung von Celos Freund Ermin Bicakcic, als er noch bei Braunschweig gespielt hat.
Frankfurt gilt als multikulturelle Stadt. Überträgt sich das auch auf die Fanszene?
Abdi: Klar, bei den "Ultras Frankfurt" kann auch ein Marokkaner oder ein Schwarzer vorne mitlaufen.
Celo: Da ist die Herkunft scheißegal. Was zählt, ist der Zusammenhalt.
Bei der "Adlerfront" in den 1980er und 1990er Jahren waren auch Nazis dabei. Hatten Sie mit denen Probleme?
Celo: Meine Generation hatte mit denen keinen Stress, aber die davor.
Abdi: Da hieß es "Turkish Power Boyz" gegen "Adlerfront", wobei die Türken mit Fußball nichts am Hut hatten.
Celo: Damals sind auch kaum Ausländer ins Stadion gegangen. Das hat sich erst geändert, als die Migrantenkinder mitgemischt haben. So ist in Frankfurt eine neue Fankultur entstanden.
Wann hat das angefangen?
Celo: Zur Zeit von Okocha, Yeboah und Gaudino. Das waren die ersten Ausländer, die das nach vorne getragen haben. Frankfurt hatte immer sehr viele deutsche Spieler – Hölzenbein, Pahl, Grabowski … Wobei, der ist doch Österreicher, oder?
Nein, aber Bruno Pezzey.
Celo: Ja, Mann! Pezzey. Legendär! Der ist doch bei einem Eishockeyspiel gestorben, an einem Herzinfarkt. Auf jeden Fall eine Frankfurter Legende.
Zwei Fußballer, die in Ihren Texten häufig auftauchen, sind Paul Pogba und Karim Benzema. Warum?
Celo: Sie sind wie wir Migrantenkinder, die es zu etwas gebracht haben.
Abdi: Benzema steht morgens auf, steigt in seinen Audi S8 und geht dann für Real Madrid Fußball spielen. Das ist das Nonplusultra. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ein Afrikaner das erreicht hat.
Benzema sagt, er fühle sich als Algerier, spielt aber für Frankreich.
Abdi: Ich habe diese Diskussion satt. Zlatan Ibrahimovic spielt auch für Schweden. Und warum? Weil ihn Bosnien nicht wollte. Bei Lukas Podolski und Polen ist es nicht anders.
Celo: Man sollte seine Heimat nicht vergessen. Aber wenn du für das Land spielst, in dem du geboren bist, darf dir das niemand übel nehmen.
Wie stehen Sie zu Jermaine Jones? Der ist in Frankfurt ja sehr umstritten.
Celo: Geld und Erfolg sind schön, aber Loyalität gehört auch dazu. Du darfst deinen Arsch nicht verkaufen. Und das nehmen Jermaine viele Frankfurter übel.
Abdi: Er hat die Eintracht verraten, aber wir wollen nicht groß Partei ergreifen. Als er bei der WM das Tor für die USA gegen Portugal erzielt hat, habe ich es ihm gegönnt.
Celo: Er hat gekämpft, trotz kaputter Nase – der ist ein Pit. Aber trotzdem hat er damals einen Bitchmove gemacht.
Abdi: Einen assigen Bitchmove.
Warum umgeben sich Fußballer so gern mit Rappern?
Celo: Das ist ein bisschen wie beim amerikanischen Traum. In beiden Branchen gibt’s keine Mitte – entweder du schaffst es oder du scheiterst.
Abdi: Und die Fußballer hören ja auch Musik. Mich hat es extrem stolz gemacht, als Ashkan Dejagah gesagt hat: "Hey, wann kommt euer neues Album? Ich brauche etwas für die Kabine." Und da hat er beim FC Fulham in der Premier League gespielt.
Wegen der Textzeile "der Rest ist fehl am Ort wie Semitismus im Block von Feyenoord" im Track "Wettskandal" wurde Ihnen Antisemitismus vorgeworfen. Können Sie das nachvollziehen?
Celo: Ich habe einen Vergleich gemacht, der falsch interpretiert worden ist. Ich wollte darauf aufmerksam machen, wie lächerlich es ist, wenn der Nahostkonflikt in holländische Stadien getragen wird. Das ist zu viel Politik. Im Stadion sollte es um nichts anderes gehen als um Fußball und deine Stadt. (Interview: Thomas Kiebl, The Message & Reinhard Krennhuber, ballesterer)