Kiew/Moskau - Pawel Gubarew, einer der bekanntesten Separatistenführer in der Ostukraine, liegt nach einem Anschlag schwer verletzt in einem Krankenhaus der russischen Millionenstadt Rostow. Sein Auto sei in der Nacht zum Montag auf der Straße von Rostow nach Donezk beschossen worden, woraufhin der Wagen gegen einen Mast gefahren sei, erklärte Gubarews Frau Jekaterina. Ihren Angaben nach fand der Anschlag auf Rebellenterritorium statt. Gubarew hat nach seiner Einlieferung in die Klinik sein Bewusstsein nicht wiedererlangt.

Während der staatliche russische Nachrichtensender Rossija 24 das Attentat nur kurz erwähnte - und das als Beispiel für den fortgesetzten Beschuss der Donbass-Region durch ukrainisches Militär, sorgte der Vorfall in den Internetforen verschiedener Separatistenseiten für deutlich mehr Furore und rief andere Versionen auf den Plan. Demnach könnte Gubarew auch von der Konkurrenz aus dem eigenen Lager aus dem Weg geräumt worden sein.

Tatsächlich wollte der im März zum "Volksgouverneur" von Donezk ausgerufene bekennende russische Nationalist im November bei den Wahlen zum Oberhaupt der abtrünnigen "Donezker Volksrepublik" (DVR) antreten. Er galt als schärfster Konkurrent des derzeitigen "DVR-Premiers" Alexander Sachartschenko.

Seine Kandidatur wurde von der Wahlkommission aber abgelehnt; einziger Kandidat ist Sachartschenko. Kurz vor dem Attentat hatte Gubarew "eine wichtige Erklärung" angekündigt.

Streit um künftigen Kurs

Innerhalb des Rebellenlagers ist ein heftiger Richtungsstreit entbrannt. Gubarew zählte zum Lager der Hardliner, die eine Fortsetzung des bewaffneten Kampfes forderten. Den von Sachartschenko auf Drängen des Kremls unterzeichneten Waffenstillstand mit Kiew bezeichnete er als Verrat.

Gubarew ist damit auf einer Linie mit dem Ex-Oberbefehlshaber der Rebellentruppen Igor Strelkow, der im August geschasst wurde und nach Russland zurückging, aber weiter Einfluss in Donezk besitzt. Seine Nachfolger beschuldigt Strelkow, zusammen mit dem Ex-Kreml-Ideologen, Präsidentenberater Wladislaw Surkow, die Region auszuplündern.

Diese drehten nun nach dem Anschlag auf Strelkow-Mitstreiter Gubarew die Korruptionsvorwürfe um: Das Attentat sei nicht politisch motiviert, "sondern hängt mit Geld zusammen", erklärte ein Sprecher der DVR. Politisch sei Gubarew nicht wichtig genug gewesen, um ihn auszuschalten, fügte er hinzu. Tatsächlich war der 31-Jährige mehrfach in Moskau, um Geld für die Separatisten zu holen.

Der Machtkampf der Rebellenführer schwächt das Separatistenlager. Militärisch kann Kiew aufgrund eigener Schwäche, der nicht zuletzt Verteidigungsminister Waleri Geletej (abgelöst) zum Opfer fiel, keinen Vorteil aus der Lage ziehen. Allerdings verstärken sich bei den prorussischen Milizen die Gerüchte, dass die russische Führung die Rebellen fallenlassen will und zu ungeliebten Kompromissen zwingt. (André Ballin, DER STANDARD, 14.10.2014)