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Präsident Recep Tayyip Erdogan gönnte sich eine Budgetaufstockung.

Foto: REUTERS/Murad Sezer

Küsser-Premier Ahmet Davutoglu schaut durch die Finger. So hat sich das der frühere Außenminister und amtierende Regierungschef nicht vorgestellt, der doch jetzt auf Straßenpostern mit seiner jahrelang gesammelten nahöstlichen Männer-und-Kinder-küss-und-umarm-Erfahrung für Anerkennung und good vibrations wirbt: Budget fürs Premiersamt im nächsten Jahr einen halben Prozentpunkt herunter, Budget fürs Präsidentenamt aber 97 Prozent rauf.

Wer Kellner und wer Koch ist im neuen Ankara, steht nun Schwarz auf Weiß für jeden im Land fest. Und noch dazu muss Davutoglu in den alten Präsidentenpalast umsiedeln, während Tayyip Erdogan den geplanten schicken neuen großen Premierssitz bekommt, der jetzt eben Präsidentensitz und Machtzentrale der Neuen Türkei (Yeni Türkiye) wird, um vieles größer als das Weiße Haus in Washington, aber immer noch deutlich kleiner als der Palatul des früheren rumänischen Staats- und Parteichefs Nicolae Ceausescu in Bukarest, also alles in allem gesundes Mittelmaß.

Der exorbitante Anstieg im Budget des türkischen Staatschefs, der zumindest verfassungsrechtlich noch einer parlamentarischen Demokratie vorsteht, keiner präsidentiellen, ist auch ebenjenem Neubau zu verdanken, der seiner Vollendung zustrebt, und dem Heer an Personal, das dort wirken wird. Knapp 169 Millionen Lira (59 Millionen Euro) haben Amtsvorgänger und Parteifreund Abdullah Gül und sein Nachfolger Erdogan 2014 noch offiziell verbraten dürfen. Es ist ein bisschen mehr geworden, was den errechneten Anstieg des Präsidentenbudgets um 97 Prozent (und nicht sogar 134,9 Prozent) im neuen Haushaltsjahr erklären soll: 2015 sind satte 397 Millionen (138 Millionen Euro) eingeplant. Aber das sind natürlich alles nur Zahlen, die am Ende so oder so ausfallen, was der nach einer Vielzahl von Gesetzesänderungen entmachtete türkische Rechnungshof (Sayıştay) sowieso nie erfahren oder zumindest publik machen dürfte.

Der Blick auf den Rest des Haushalts der Türkei im kommenden Jahr – Gesamtbudget 473 Milliarden Lira (164,6 Milliarden Euro) und 8,3 Prozent plus – zeigt insgesamt den Wunsch der Staatenlenker nach einem Gleichgewicht zwischen Sozialem und Sicherheit für und vor dem Bürger. Ganz geklappt hat es nicht: Rund 60 Milliarden Lira für Armee, Polizei, Gendarmerie, Staatssicherheit, Telekommunikation mit ihrer Internetpolizei und für diverse Sorgen des Innenministeriums; rund 52 Milliarden Lira für das Arbeits- und Sozialministerium, das Familienministerium und die öffentliche Gesundheit.

Das Sozialbudget ist um 6,3 Prozent auf 30,7 Milliarden Lira (10,7 Milliarden Euro) gekürzt worden im Vergleich zu diesem Haushaltsjahr; das Budget fürs Verteidigungsministerium stieg leicht auf 22,8 Milliarden Lira (acht Milliarden Euro), der Geheimdienst MIT wird offiziell mit einer Milliarde veranschlagt (350 Millionen Euro), und die Bildung – eine Dauerproblembaustelle des Landes – ist mit 62 Milliarden Lira (21,8 Milliarden Euro) der größte Ministeriumsposten im Budget, aufgestockt um 11,3 Prozent. Kritiker mögen behaupten, damit werde vornehmlich der Neubau von Imam-Hatip-Schulen und die Anstellung von Religionslehrern finanziert; sehen wird man das erst nächstes Jahr. Das Budget für die staatliche Religionsbehörde Diyanet – zuständig für alle Sunniten und diejenigen, die es nicht sein wollen – beläuft sich 2015 auf rund fünf Milliarden Lira (1,7 Milliarden Euro). Den größten Zuwachs neben dem Säckel des neuen Präsidenten Erdogan verzeichnet das Entwicklungsministerium: 91,8 Prozent und 1,8 Milliarden Lira (630 Millionen Euro) im neuen Haushaltsjahr. (Markus Bernath, derStandard.at, 15.10.2014)