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Neu im Labyrinth: Thomas (Dylan O'Brien) in "The Maze Runner".

Foto: AP / 20th Century Fox

Wien - Zum ersten Mal in seinem ganzen Ausmaß zu sehen bekommt man das Labyrinth als Miniatur: In einer versteckten Waldhütte haben die Jugendlichen ein Modell errichtet. Dicht nebeneinander in die Erde gesteckte Hölzchen stellen Mauern dar, in der Mitte ein kleiner Platz. Jeden Morgen erkunden die schnellsten Läufer von dieser Lichtung aus den sie umgebenden Irrgarten. Abends müssen sie vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein, denn dann schließen sich die Tore, und das Labyrinth wird zur tödlichen Falle. Drei Jahre lang sind sie alle erreichbaren Wege abgelaufen, um sich in ihrem Gefängnis zu orientieren. Ein möglicher Ausbruch ist ebenso wenig in Sicht wie eine Erklärung für ihr Dasein.

Das Spiel mit Größenverhältnissen und Dimensionen ist natürlich nicht zufällig eine der wesentlichen Qualitäten von The Maze Runner. Wenn die Kamera mit dem Neuankömmling Thomas (Dylan O'Brien) einen Aufzugsschacht emporrast, der ihn ausspuckt, ist der zusammengekauert liegende Teenager ohne Erinnerung buchstäblich in die Welt geworfen. Die das Areal umgebenden Mauern kann er noch nicht wahrnehmen - vorerst muss Thomas zu den anderen aufblicken.

The Maze Runner ist ein Film, in dessen Erzählung man wie seine jungen Helden geschleudert wird, und der sich in verschiedene Richtungen ausbreitet: Während Thomas und die bald auftauchende Teresa (Kaya Scodelario) sich in der Hierarchie der Gruppe nach oben arbeiten, wird das Labyrinth - und seine unheimlichen nächtlichen Bewohner - naturgemäß in der Horizontalen erkundet. Dass dabei buchstäblich Schritt für Schritt vorgegangen werden muss und die Überraschungen immer hinter der nächsten Ecke lauern, ist nur einer von mehreren klugen Schachzügen dieses Films.

Als dystopische Science-Fiction-Parabel erinnert The Maze Runner, inszeniert vom Visual-Effects-Spezialisten Wes Ball, etwas an William Goldings Lord of the Flies, setzt dabei jedoch auf Effizienz und Verdichtung: Während sich das Geheimnis mittels Erinnerungsfetzen lüftet, die Thomas zunehmend quälen und ihm ein zweites Gesicht verleihen, steigt die Gefährdung der unter seiner Führung aus dem Labyrinth ausbrechenden Kleingruppe mit jedem Meter, den die Außengrenze näherrückt. Spätestens dann wird die Psychologie vom Spektakel abgelöst, und die sich wie von Geisterhand bewegenden Mauern treiben Jugendliche und Handlung gleichermaßen vor sich her.

Basierend auf der dreiteiligen Buchserie des US-Fantasyautors James Dashner reiht sich The Maze Runner in die Reihe populärer Jugendbuchverfilmungen ein (von The Hunger Games bis The Mortal Instruments), die ihre jungen Helden zum Erwachsenwerden gerne in Parallelwelten schicken. In The Maze Runner fungiert das Labyrinth ohne Horizont als simple wie sinnfällige Metapher: Was die Zukunft bringt, wird sich erst am Ende jener langen Irrfahrt zeigen, die sich Jugend nennt. Denn auch wenn The Maze Runner das Motiv des Irrgartens im Vergleich zu so selbstreflexiven Filmen wie The Shining oder Pan's Labyrith in erster Linie über dessen Funktionalität betrachtet - nichts scheint schwieriger, als die Entscheidung für den richtigen Lebensweg. (Michael Pekler, DER STANDARD, 15.10.2014)