Illustration: Dennis Eriksson

1895 gründete sich der National Trust for Places of Historic Interest or Natural Beauty, kurz: der National Trust (UK ohne Schottland). Der Mountbatten-Windsor-Karl ist dessen aktueller Präsident - selbst ein leidenschaftlicher Gartler vor dem Herrn und Prinz in Dauerstellung. Dieser Trust hat nahezu vier Millionen Mitglieder, die allesamt nichts anderes zu tun haben, als einmal im Jahr ihren Hadsch nach Sissinghurst Castle zu veranstalten. Dort stehen sie dann im womöglich berühmtesten Garten der Welt, staunen über die Beete und wundern sich über das Stoasteirisch, das dort zu hören ist. Gartentouristen kommen von überall, selbst aus der Steiermark.

Diesen Zeilen mag die Begeisterung für Sissinghurst fehlen - das mag an Sissinghurst liegen. Der weiße Garten ist eh sehr schön, dort blüht ausschließlich Weißblühendes. In der Dämmerung mag das seine Wirkung haben. Aber in Wahrheit, und das wissen selbst die vom Trust, gibt es nur ein Schaumbad der Blumen für die Gartlerin von Welt - Great Dixter.

Ohne Worte

Selbst nicht Bestandteil des Trusts, lassen einen die Gärten und Beete dieser Anlage in East Sussex sprachlos zurück. Für diese Gärten wurden noch keine Begriffe entwickelt, für diese Gärten reicht die Aufnahmekapazität der Sinne nicht. Zuerst verliert man sich um den Sunk Garden, der, einem Amphitheater gleich, zu einem zentralen Pool hin abfällt. Kopfhoch die Pflanzen, maximal schmal geschnitten die Trampelpfade rund um das Brunnenbecken. Welch ein Friede dort herrscht, das tut gerade 2014 gut.

Andere Beete, andere Strukturen: abfallende Feuchtwiesen (Orchard Meadow), durchsetzt von mit Flechten überzogenen, verkrüppelten Obstbäumen. Oder der Tümpel mit den küchentischgroßen Mammutblättern am Ufer; oder der Long Border, der überschwänglich bunt und ungekünstelt drapiert wie eine bunte Tapete an der langen Mauer des Zentralgebäudes klebt - für immer in der Erinnerung an eine perfekte Rabatte. Nur so geht das!

High Garden

Die Sprache verkümmert zu einem betretenen Schweigen, wenn der Gartler die Schritte in den High Garden wagt. All jene klassischen Gartenpflanzen, die in unseren Breiten 60 bis 80 Zentimeter hoch werden, überragen einen dort. Eine Farben- und Formenwucht, die den auf den eigenen Garten so stolzen Austrogartler nachhaltig beschämt, saugt den Besucher an und die Besucherin ein. So muss sich ein Elf in einem Blumenbeet fühlen, ein Zwerg in einer Rabatte oder Dackel Waldi im hohen Gras. Dieser Eindruck hat sich in den Hippocampus tätowiert, das bleibt für immer.

Aber was bedeutet das für die eigenen Beete? Hinauf! Es braucht Pflanzenwände, es müssen Strukturen geschaffen werden, die jene des Great Dixter nie erreichen, aber stets an diese erinnern. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 17.10.2014)