Walter Zinggl (52) leitet die RTL-Vermarkterin IP Österreich. Zuvor war er Geschäftsführer der Agentur Publicis, der ORF-Werbetochter ORF Enterprise und der Mediaagentur Maxus.

Foto: IP Österreich / Simonis

STANDARD: Wenn es nach dem ORF geht, vertreten Sie das ganz Böse in Österreichs Fernsehmarkt: Sie vermarkten vor allem Werbung in RTL-Sendern, die keine eigenen Inhalte für Österreich anbieten, aber mit Werbefenstern österreichisches Werbegeld nach Deutschland abführen.

Zinggl: ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz verbreitet diesen Unsinn wider besseres Wissen. Das hat mir schon bei einer Podiumsdiskussion einen Stoßseufzer entlockt ...

STANDARD: ... der mit "Ach, Alex" begonnen hat. Ach was?

Zinggl: Natürlich weiß man auch auf dem Küniglberg: Gäbe es die Werbefenster nicht, wäre der Werbestandort Österreich tot. Dann gäbe es keine TV-Werbebudgets in Österreich mehr - weil große Konzerne argumentieren würden: Wir erreichen einen großen Teil der Österreicher ohnehin mit unserer Werbung in deutschen Sendern. Der Küniglberg betreibt da billige Polemik. Im ORF weiß man übrigens auch, dass zwar 50 Prozent an der IP Österreich der RTL-Gruppe gehören - die anderen 50 Prozent aber einer Gesellschaft der österreichischen Tageszeitung "Krone". Wir vergeben hier Marktforschungs- und Agenturaufträge, beschäftigen Menschen, wir sind Teil des österreichischen Wirtschaftslebens. In diesem Fernsehwerbemarkt muss man nun wirklich nicht aufeinander herumhacken - wir können alle miteinander gut leben.

STANDARD: Und jetzt übernimmt diese RTL-Gruppe auch noch die Satellitenfrequenz des österreichischen Musiksenders gotv?

Zinggl: Nach meinem Informationsstand will sich gotv nun neu im HDTV-Bereich positionieren und wechselt dafür die Frequenz. Da haben wir den bisher von gotv genutzten Satkanal gerne übernommen.

STANDARD: Weil schon relativ viele Satelliten-Seher diesen Kanal in ihren Programmlisten recht prominent eingespeichert haben.

Zinggl: Natürlich. RTL Nitro war bisher in rund 40 Prozent der österreichischen Haushalte eingestellt - und hat schon ganz ohne Bewerbung in Österreich einen Marktanteil von 0,6 Prozent bei den 18- bis 59-jährigen. Mit 16. Oktober kommt RTL Nitro schlagartig auf 70 Prozent technische Reichweite.

STANDARD: Das wird die Marktanteile von RTL Nitro aber nicht automatisch fast verdoppeln.

Zinggl: Wir rechnen Ende 2015 bei den 18- bis 59-jährigen Männern mit 1,2 bis 1,5 Prozent Marktanteil. In Deutschland hat der Sender hier schon 2,2 bis 2,3 Prozent. Das kann RTL Nitro auch in Österreich schaffen.

STANDARD: Nitro ist mit Serien von "MacGyver" bis zu Charly Sheens "Anger Management" und Aktionen wie gerade einem ganzen "Heimwerkertag" sehr männlich programmiert. Sind Männer mit den bestehenden paar hundert Programmen gar unterversorgt?

Zinggl: Männer sind bisher in der Mediaplanung eher schwierig. Wir vermarkten schon Werbung in Sky Sport Österreich, dazu RTL Nitro und bald könnte weiterer Sender in diesem Segment dazukommen. - Damit erreichen wir die gut verdienenden Männer schon genauer und treffsicherer als in jeder anderen Kombination. Und RTL Nitro zeigt in Deutschland, wie man in dem Feld vieles richtig machen kann.

STANDARD: Und es bleibt dabei, dass die Sender der RTL-Gruppe Werbefenster, aber keine eigenen Programmteile für Österreich anbieten, wie das ProSiebenSat.1 in Österreich tut?

Zinggl: Auch bei ProSiebenSat.1Puls4 muss man die Kirche im Dorf lassen: Von deren 27 Prozent Marktanteil entfallen rund 4,5 Prozentpunkte auf Puls 4 - das ist im Verhältnis doch eher ein Feigenblatt.

STANDARD: Aber Programmteile für Österreich gibt es dort auch auf Sendern wie ProSieben und Sat.1. Die RTL-Sender halten sich da weiter zurück?

Zinggl: Ein eigener Sender für Österreich ist aus meiner Sicht unrealistisch. Der Markt ist schon hochgradig fragmentiert und ausdifferenziert. Eine Marktlücke unter den Programmfarben, die für die nötigen drei bis fünf Prozent Marktanteil gut ist, sehe ich nicht.

STANDARD: Blieben noch Programmteile für Österreich in den bestehenden Programmen wie RTL oder Vox - oder wenn man's lieber eher nicht ganz so reichweitenstarken Programmen versuchen will: RTL 2 oder Super RTL.

Zinggl: Wir diskutieren und denken intensiv über Programmfenster nach. Weil sich durchaus zeigt, dass das zusätzliche Marktanteile bringen kann.

STANDARD: Wann könnte es da konkreter werden? Und: Was wird man da sehen - die nächsten Österrreich-Nachrichten?

Zinggl: Nein. Aber Über den Inhalt von ungelegten Eiern will ich noch nichts sagen Wenn wir uns entschieden haben, dann werden wir das auch kommunizieren.

STANDARD: Wann und in welchem Umfang könnten solche Programmteile laufen?

Zinggl: Sinnvollerweise kann man solche Investitionen im Vorabend oder Hauptabend mit Werbung refinanzieren. Das könnte sich irgendwo zwischen 60 und 180 Minuten pro Woche bewegen. (Harald Fidler, DER STANDARD, 16.10.2014)