Wien - Die Whistleblower-Hommepage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) könnte einen eigenen Button "Bürgermeister" einführen. Denn in der jüngsten Bilanz, die am Donnerstag im ORF-Morgenjournal gezogen wurde, hieß es, dass vor allem Beschwerden über Ortschefs stark zunehmen.

Vor alle wegen Umwidmungen, aber auch wegen Kanalgebühren platzierten immer mehr Bürger eine anonyme Anzeige, sagt Bernhard Weratschnig von der WKStA. Die konkrete Anzahl wurde nicht bekannt gegeben, doch der Trend sei unübersehbar.

Ein Drittel eingestellt

Auch illegale Erwerbstätigkeit und Falschanmeldungen von Dienstnehmern, die beispielsweise als nur geringfügig beschäftigt registriert werden, obwohl sie Vollzeit arbeiten, werden oft angezeigt.

Insgesamt sind über die Seite, die seit eineinhalb Jahren über einen Quicklink auf justiz.gv.at oder die Direkteingabe der https-URL www.bkms-system.net/wksta in die Adresszeile eines Browsers erreichbar ist, bisher 2130 Meldungen eingegangen. Ein Drittel davon wurde sofort eingestellt, weil der geäußerte Verdacht juristisch nicht haltbar war. Ein weiteres Drittel wurde an Finanzstrafbehörden weitergeleitet. Aber auch das verbliebene Drittel stellte sich nicht gerade als großer Schlag gegen Korruption heraus. Bisher gab es erst in drei Fällen einen rechtskräftigen Schuldspruch.

Verbesserung der Moral

Für die WKStA ist das aber kein Argument für Erfolglosigkeit. Im Gegenteil: Es gebe ja viele brauchbare Hinweise, und dass sich ein Verdacht als falsch herausstelle, sei auch eine wichtige Erkenntnis. Außerdem hätten ja auch die weitergeleiteten Anzeigen Sinn.

Die WKStA ist bei Anzeigen gegen Bürgermeister grundsätzlich nur dann zuständig, wenn dem Politiker aus einem Amtsgeschäft ein persönlicher Vorteil entsteht - und dieser Vorteil muss den Wert von 3000 Euro übersteigen.

Wie berichtet, gibt es seit Februar auch bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) eine Whistleblower-Seite. Auch auf diesem über fma.gv.at erreichbaren Portal können anonym Hinweise auf Missstände gegeben werden. Bisher sind mehr als 100 Meldungen eingegangen. Auch hier ist nicht einmal die Hälfte verwertbar, doch insgesamt trage das Hinweisgebersystem zur Verbesserung der Moral am Finanzplatz bei, heißt es. Zu den gemeldeten Missständen gehören Sicherheitslücken im IT-System von Finanzdienstleistern, Geldwäscheverdacht in Osteuropa, irreführende Werbungen oder Falschberatungen.

Elektronischer Postkasten

Das Prozedere bei den Whistleblower-Seiten ist ähnlich, der Datenschutz durch die Anonymisierung von personenbezogenen Daten gegeben. Hinweisgeber können sich auf der jeweiligen Website einen elektronischen Postkasten einrichten und weiter anonym mit FMA oder WKStA kommunizieren. Bei der FMA gibt es außerdem auch eine eigene Telefonhotline für Hinweisgeber: 0800-249 900.

Auch das polizeiliche Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) betreibt Meldestellen: BMI-IV-BAK-SPOC@bak.gv.at ist die E-Mail-Adresse, 01-53126-6800 die Telefonummer für vertrauliche Hinweise. Eine eigene Whistlerblower-Homepage hat das Innenministerium bisher nicht eingerichtet.

Österreich im Mittelfeld

Gemäß einer 2013 von Transparency International publizierten Studie befindet sich Österreich betreffend den Schutz von Hinweisgebern im EU-Vergleich im Mittelfeld. Es gebe zwar diverse öffentliche Institutionen mit Meldesystemen, im privaten Sektor fehle aber eine vergleichbare Regelung. Auch Unternehmen sollten aber das Aufzeigen von Missständen möglich machen, fordert Transparency. (simo, DER STANDARD, 17.10.2014)