Nagen die Wiener Innenstadt-Geschäftsinhaber schon am Hungertuch, wenn sie jetzt schon vom Einkauf jener Wien-Touristen abhängig sind, die sich lediglich einen Tagesausflug nach Wien leisten können?

Ja, es gibt die Menschen, die ohne Rücksicht auf Interessen und Motive anderer Leute jetzt und sofort alles haben wollen, sich keinen Deut darum scheren, ob Handelsangestellte ihre Familien am Sonntag im Stich lassen müssen, vom Berufsalltag Ausgelaugte wenigstens am Sonntag ein paar erholsame Stunden gemeinsam mit Freunden verbringen können oder der Sonntag – zugegeben nur noch von einer Minderheit – als besonderer Feier-Tag erlebt werden möchte. Ja, es gibt die Menschen, die sagen: "Auch ich muss am Sonntag fallweise arbeiten, warum sollen andere nicht auch am Sonntag arbeiten oder die Geschäfte offen haben?"

Natürlich geht die Welt nicht unter, wenn sich eine Volkswirtschaft zunehmend vom arbeitsfreien Sonntag verabschiedet, wenn sich Touristen über akkurat am Sonntag erstandene Schneeglaskugeln oder Nerzschleifen erfreuen können.

Ob wir mit einer schleichenden Wegnivellierung des arbeitsfreien Sonntags wirklich in eine bessere Zukunft gehen, bleibt dahingestellt. Auch die von manchen als Zusatzeinkommen geschätzten Sonntagszuschläge würden bald wegfallen, wenn der Sonntag auf eine Ebene mit den anderen Wochentagen gestellt wird.

Ist Konsum das Wichtigste?

Was brauchen wir wirklich in Zukunft? Mehr Stress oder sinnvolle Freizeitgestaltung, mehr Besinnung oder Konsum, mehr Abgrenzung oder Miteinander, mehr Egoismus oder Gemeinschaftssinn? Hat nicht Wien als Kulturstadt mehr zu bieten als die materielle Glitzerwelt der Schaufenster? Ist Konsum heute wirklich das Wichtigste, was der Mensch braucht?

Ist es nicht bezeichnend, dass die alljährliche Debatte um den weitgehend arbeitsfreien Sonntag immer wieder von jenen vom Zaun gebrochen wird, die sich materiell auf Kosten anderer verbessern wollen? (Johannes Labner, derStandard.at, 24.10.2014)