"Ich schaue nicht jeden Tag auf die Statistiken, weil ich bin kein Glücksspieler und keiner, der wettet, sondern ich bin der Regierungschef", hat der Premier einmal gesagt. Vielleicht wäre es ihm aber doch angeraten, dies ab und zu zu tun. Denn Faktum ist, die kroatischen Sozialdemokraten stecken in einer manifesten Krise. Erstmals lag kürzlich in Umfragen die neue, grüne Partei ORaH (17,9 Prozent) vor der SDP (17,3 Prozent) von Premier Zoran Milanović, der selbst seit Jahren an Beliebtheit verliert. An erster Stelle liegt demnach die konservative HDZ mit 25,7 Prozent, die in der Opposition sitzt.
Innerhalb der Sozialdemokraten ist die Stimmung noch dazu gespalten. Präsident Ivo Josipović, der bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember nochmals antritt, ist offensichtlich mit dem Kurs des Regierungschefs nicht zufrieden. Manche Analysten sagen, dass Milanović deshalb lange gezögert hat, die Unterstützung der Partei für Josipovićs Kandidatur bekannt zu geben. Offen wird der Konflikt zwischen den beiden allerdings nicht ausgetragen.
Allerdings ist spätestens seit dem überraschend guten Abschneiden der grünen Partei ORaH bei den EU-Wahlen viel Bewegung im linken Parteienspektrum zu bemerken. OraH, das von Mirela Holy geführt wird, hat noch wenig Strukturen, aber angesichts des schlechten Image von Milanović ist es ein Auffangbecken für enttäuschte Linke. Manche Analysten wie etwa Davor Gjenero sehen überhaupt Josipović hinter dem Projekt. Gjenero glaubt, dass der Präsident die Sozialdemokraten und Orah letztlich zusammenführen will. Möglicherweise auch, um doch noch einen Wahlsieg für die Linke im kommenden Jahr sicher zu stellen.
Causa "Barbika"
Doch nicht nur Milanović, auch Josipović ist angekratzt. Im Sommer wurde ein Strategiepapier namens "Barbika" bekannt - also "Barbie" – mit dem seine Herausforderin Kolinda Grabar Kitarović im Präsidentschaftswahlkampf diskreditiert und besiegt werden sollte. Josipović wies die Anschuldigungen zurück und meinte es würde sich um eine Geheimdienstaktion handeln. Aber der Eindruck einer sexistischen Kampagne gegen die anerkannte EU-Expertin Grabar Kitarović blieb. Ebenfalls für Kritik bei Intellektuellen sorgte der Streit von Josipović mit dem Vertreter der serbischen Minderheit Milorad Pupovac. Vor allem deswegen weil gerade die Position der serbischen Minderheit, die in Kroatien Anfeindungen ausgesetzt ist, eine sehr sensible Angelegenheit ist.
Zudem haben Korruptionsskandale die Partei erschüttert. Milanović hat etwa den ehemals supermächtigen Finanzminister Slavko Linić, der immer wieder im Zusammenhang mit Immbolibiendeals an der Küste genannt wird, aus dem Amt entfernt. Auch der Bürgermeister von Vukovar, Željko Sabo und Marina Lovrić Merzel, Politikerin aus der Gespannschaft Sisak mussten wegen Korruptionsvorwürfen gehen.
Geteilte Sozialdemokraten
Gjenero meint, dass die Sozialdemokraten mittlerweile zwischen dem Milanović-Flügel und der "alten Schule", zu der auch Josipović gehört, geteilt sind. Als mögliche Nachfolger des erfolglosen und als arrogant geltenden Milanović werden der Istrier Zlatko Komadina und der ehemalige Außenminister genannt. Gjenero rechnet damit, dass die Parlamentswahlen bereits kommenden Mai stattfinden könnten. Die letzten Wahlen fanden Ende 2011 statt. Er argumentiert damit, dass die kroatische Regierung das Budget für das nächste Jahr nicht zusammenstellen wird können. Gegen das jüngste Mitglied der Union läuft ein EU-Defizitverfahren. "Die haben die Kontrolle über das Budget-Defizit aber verloren", meint Gjenero. "Und die Europäische Kommission wird darauf reagieren. Kommendes Frühjahr wird man sehen, dass sie die Versprechen nicht erfüllen." Tatsächlich blieben von vielen Experten angeratene tiefgreifende Strukturreformen aus. Kroatien ist das sechste Jahr in der Rezession, auch der Beitritt hat keinen Aufschwung gebracht.
Die Regierung Milanović steht auch weiterhin unter dem Druck rechter und kirchennaher Kreise. So drohten Nationalisten erneut Milanović und Josipović, dass die kyrillischen Amtstafeln aus Vukovar entfernt werden müssten, ansonsten würden Politiker am Gedenktag zum Fall der Stadt am 18. November nicht willkommen geheißen. In Vukovar werden auch die kyrillischen Amtstafeln für die serbische Minderheit immer wieder von kroatischen Nationalisten zerstört. Ein Referendum gegen die kyrillischen Amtstafeln wurde allerdings im Sommer vom Verfassungsgericht untersagt.
Auch die kirchennahe Initiative "Im Namen der Familie" mischt sich weiter in die kroatische Innenpolitik ein. Diesmal geht es darum, die Wahlgesetzgebung zu ändern, etwa die Wahlbezirke. Allerdings hat die linke Regierung gerade auf diesem ideologischen Terrain auch einige Erfolge zu verbuchen, wie etwa die Einführung der eingetragenen Partnerschaft für Homosexuelle.
Verwaltungsminister Arsen Bauk, der als Lichtblick der Regierung gilt, bereitet als Antwort auf die Offensive von "Im Namen der Familie" auch eine Änderung des Referendumsgsetzes vor. Um Unterschriftenfälschungen zu vermeiden, sollen die Unterschriften etwa in öffentlichen Ämtern gesammelt werden. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 17.10.2014)