Es ist alles sehr kompliziert - die Politik, das Leben, die Welt: Darauf hat Fred Sinowatz schon 1983 hingewiesen. Populismus will davon nichts wissen und verspricht - das ist eine seiner Haupteigenschaften - einfache "Lösungen". Das kennt man zum Beispiel aus Debatten über Migration und Integration. Das Phänomen Populismus spielt aber auch in anderen Diskursen eine immer größere Rolle - zum Beispiel dann, wenn es um Wirtschaft und Umwelt geht.

Thomas Hofer hat in seinem Beitrag (Standard vom 27./28. September 2014) darauf hingewiesen, dass die Erfolge der Grünen eine populistische Seite haben. Es sei, so Hofer, ganz wesentlich "eine der medialen Logik angepasste Strategie der Simplifizierung", die grüne Wahlerfolge erkläre: "Kompliziert ist da gar nichts mehr."

Nun könnte man mit Blick auf Wahlkampfrhetorik darauf verweisen, dass Klappern nun mal zum Handwerk gehört. Ernster ist allerdings die Tatsache, dass der grüne Populismus in einem größeren Kontext steht: Wenn es um Nachhaltigkeit geht, werden populistische Tendenzen immer stärker spürbar. Insofern sind die populismusbefeuerten grünen Wahlerfolge nur der Mikro-Ausdruck eines Makro-Trends.

Beispiele für die Tendenz, die komplexe Welt mit einfachen und großen Würfen zu "retten", finden sich in verschiedenen Ecken des Diskurses über Nachhaltigkeit. Zugespitzt: Die Gemeinwohlbewegung will uns die "richtigen" Werte und außerdem jede Menge Gremien verordnen, in denen darüber abgestimmt werden soll, wie wir aus dem Kapitalismus aussteigen. Dass eine historisch gewordene Wirtschaftsform zwar verändert, aber nicht einfach "abgeschafft" werden kann, bleibt völlig unberücksichtigt.

Die Idee des "Postwachstums" basiert auf der richtigen Einsicht, dass Nachhaltigkeit mit dauernder wirtschaftlicher Expansion nicht vereinbar ist - und sieht den einzigen Weg in die "Postwachstumsgesellschaft" in radikalen Veränderungen des individuellen Verhaltens. Dass diese Veränderungen erstens nicht ausreichen und zweitens wesentlich durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen geprägt werden, bleibt unterbelichtet. In Publikationen des Club of Rome wird uns nahegelegt, doch von China zu lernen und einzusehen, dass autoritäre Regierungen das mit der Nachhaltigkeit einfach besser hinbekommen.

All diese Ideen für eine nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft sind auf populistische Weise zweifelhaft - zumindest dann, wenn man Freiheit, Kreativität und Demokratie für wichtig erachtet. Der politische Mainstream hält diese Werte zumindest rhetorisch hoch - und macht es am Ende nicht besser. Letztlich wird uns auch hier eine einfache "Lösung" für nahezu alle gesellschaftlichen Probleme verordnet: Wachstum, Wachstum und nochmal Wachstum. Dieser Ökonomie-Populismus ist ebenso simpel und gefährlich wie die oben erwähnten Ansätze.

Keine platte Weisheit

Auch das Aufrufen des Sinowatz-Zitats "Es ist alles sehr kompliziert" ist in gewisser Hinsicht populistisch. Denn wenn man das Originalzitat anschaut, sieht man: Sinowatz hat keine platte Lebensweisheit in die Welt gesetzt, sondern eine wichtige Problemlage so benannt, dass seine Analyse auf die heutige Situation passt wie die vielzitierte Faust auf das vielzitierte Auge: "Ich weiß schon (...), das alles ist sehr kompliziert, so wie diese Welt, in der wir leben und handeln, und die Gesellschaft, in der wir uns entfalten wollen. Haben wir daher den Mut, mehr als bisher auf diese Kompliziertheit hinzuweisen; zuzugeben, dass es perfekte Lösungen für alles und für jeden in einer pluralistischen Demokratie gar nicht geben kann."

Und was sind in dieser komplizierten Situation wirksame Mittel gegen den Populismus der einfachen Lösungen? Nun: Humor wird auch hier nicht schaden - die Naivität mancher populistischer Vorschläge lädt durchaus zum Lachen ein. Und: Bildung! Menschen, die die Kompliziertheit der Welt kennen und sie als Teil demokratischer Politik anerkennen, gehen populistischen Parolen wahrscheinlich weniger leicht auf den Leim als Leute, die wenig wissen - und daher alles Mögliche glauben. Einer Gesellschaft, die sich auf demokratische Weise nachhaltig entwickeln will, sollte das viel wert sein.

Ökonomische Bildung

Ökonomische Bildung ist besonders wichtig, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Einmal, weil laut Keynes jeder Politiker Sklave eines toten Ökonomen ist. Aber auch, weil nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale und ökologische Themen ökonomisch geprägt sind. Wenn einem die Nachhaltigkeit am Herzen liegt, kann man sich daher über die internationale studentische Bewegung für mehr Pluralismus in der Volkswirtschaftslehre nur freuen. Wir brauchen eine Ökonomik, die die Kompliziertheit der Welt und auch die ausgesprochene Vielfalt ihrer wissenschaftlichen Interpretationen zur Kenntnis nimmt.

Versuchen Sie Dummheit

Gute Bildung allein wird wohl nicht verhindern, dass Menschen auf platte Wahlkampfrhetorik hineinfallen oder sich bei der Suche nach Orientierung von einfachen "Lösungen" begeistern lassen - aber schaden wird sie gewiss auch nicht. Wie heißt es so schön: Wenn Ihnen Bildung zu teuer ist, versuchen Sie's mal mit Dummheit. Eben. (Fred Luks, DER STANDARD, 18.10.2014)