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Netflix ist zurzeit in den USA die klare Nummer Eins unter den Streaminganbietern. Das könnte sich ändern...

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... denn Konkurrent HBO greift an - und der besitzt bereits jahrelanger Erfahrung im Eigenproduzieren. Etwa mit Serien von Michael Patrick King (links, Sex and the City) und Lisa Kudrow (ehemals Friends, jetzt The Comeback)

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Netflix-Chef Reed Hastings war noch 2011 kein großer Freund von Eigenproduktionen

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Aber auch Amazon investiert ins eigene Streaming, hat diesen Herbst gute Serien geliefert

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Per Amazons Kindle-Tablet sollen Nutzer eigene Produktionen sehen

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Dass "Game of Thrones", das sogar der britischen Queen zu gefallen scheint, auf einem Streaming-Service verfügbar ist, könnte Netflix Sorgen bereiten

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Noch ist Netflix einer jener Firmennamen, die gemeinhin synonym für eine ganze Branche stehen: So wie Google den Suchmaschinenmarkt oder Amazon den Onlineversand beherrschen, sitzt Netflix zumindest in den USA fest im Sattel des Videostreaming-Vorreiters. Das Blatt könnte sich allerdings rasch wenden, denn die IT-Branche zeigt sich oft erbarmungslos - wovon Myspace oder Altavista ein Lied singen können.

Schlechte Nachrichten am Fließband

So kamen die schlechten Nachrichten für Netflix in den vergangenen Tagen gleich geballt: Der Videostreaming-Service erreichte massiv weniger neue Kunden als geplant, weshalb der Aktienkurs eine Talfahrt unternahm. Dann kündigte auch noch HBO an, einen eigenen Streaming-Service zu starten. Schlussendlich schnitten die Eigenproduktionen von Amazone Videoservice bei Kritikern sehr gut ab, "Transparent" wurde sogar zur meistgelobten neustartenden Serie des Herbsts.

Lizenzpakete werden viel teurer

Für Netflix könnte es aber noch schlimmer kommen: In den nächsten Monaten sollen zahlreiche Lizenzpakete mit Rechte-Inhabern auslaufen. Denn Netflix kauft Filme für seine Online-Videothek nicht für eine unbegrenzte Dauer, sondern beispielsweise für fünf Jahre. Den letzten großen Deal schloss Netflix 2010 mit Paramount, Lions Gate und MGM ab, damals für rund eine Milliarde Dollar. Es ist allerdings extrem unwahrscheinlich, dass der Videostreamer diesmal mit einer ähnlichen Summe davonkommt. Denn was damals Aufsehen erregte, gilt heute als Schnäppchen.

Streaming ist kein "Beibrot" mehr, sondern die Zukunft

Das liegt daran, dass am Beginn der Streaming-Ära viele Filmstudios die Zusatzeinnahmen durch Internetservices wie Netflix als kleines "Beibrot" zu Kino und DVD-Verkäufen sah. Außerdem gab es nahezu keine Konkurrenz zu Netflix, das dadurch in einer besseren Verhandlungsposition stand. Mittlerweile haben die Filmstudios erkannt, dass sich mit Streaming Geld verdienen lässt - es gilt sogar als finanzieller Hoffnungsträger der Branche. Gleichzeitig erwacht neue Konkurrenz: Auch Amazon und bald HBO wollen für ihre (künftigen) Streaming-Dienste Exklusivrechte für Blockbuster, treiben also die Preise in die Höhe. Der Neueinsteiger HBO hat dabei einen besonderen Trumpf im Ärmel: Der US-Pay-TV-Sender ist Tochter des Time Warner-Medienimperiums, das wiederum eine Vielzahl von Filmstudios besitzt.

Weniger anbieten, mehr dafür zahlen

Dadurch ist es nahezu unausweichlich, dass sich Netflix in den kommenden Monaten von einer Vielzahl an Titeln verabschiedet - und für die verbleibenden Filme dennoch weitaus höhere Lizenzgebühren zahlt. Gleichzeitig ist Netflix gezwungen, noch mehr Geld in Eigenproduktionen zu investieren, da diese unter Analysten als Alleinstellungsmerkmal unter den Streaming-Konkurrenten dienen.

Noch 2011 waren Eigenproduktionen ein Experiment

Auch das war zur Frühzeit des Netflix-Erfolges noch anders: Noch im Jänner 2011 sprach Netflix-CEO Reed Hastings davon, dass Eigenproduktionen nicht wichtig seien. "Wenn wir anfangen, kreative Risiken einzugehen - also Drehbücher zu lesen und nach Hits zu suchen", so Hastings, "dann wird uns das als IT-Firma nicht weiterbringen." Kurioserweise gab Netflix eine Woche später die Produktion einer neuen Serie namens "House of Cards" bekannt. Der Rest ist Streaming-Geschichte: Die erste Emmy-prämierte Internetserie soll fast 100 Millionen Dollar gekostet haben.

Netflix wird zu einem HBO

Schon wenig später dürfte sich die Strategie in Hastings Firma radikal geändert haben. So sprach Ted Sarandos, Content-Leiter von Netflix, schon im Herbst 2011 einen Satz, der in den nächsten Monaten noch oft zitiert werden wird: "Netflix muss schneller HBO werden, bevor HBO Netflix werden kann." Daraufhin wurde Netflix ein bisschen HBO: Momentan produziert der Videostreamer neben House of Cards 16 weitere Serien in Eigenregie, hat mit "Orange is the New Black" einen zweiten großen Hit gelandet.

"Game of Thrones" als Ass im Ärmel

Wie HBO gedenkt, zu einem Netflix zu werden, ist allerdings noch nicht ganz klar: Bisher kündigte der US-Sender nur an, einen Streaming-Service zu starten, der auch Nicht-Abonnenten offen steht. Etwas Erfahrung im Geschäft verfügt der Sender mit HBO Go, das Bestandskunden für Streaming nutzen können. Dort gibt es laut New Yorker rund 200 Filmtitel zur Auswahl, außerdem alle Staffeln des HBO-Serienangebots. Das hat es allerdings in sich: Mit "Game of Thrones" verfügt HBO über die im Internet beliebteste aktuelle TV-Serie weltweit. Zusätzlich hat der Sender mit der Show "Last Week Tonight" mit John Oliver ein Format gefunden, dessen Clips sich global viral im Netz verbreiten. Weitere Filmdeals sind dank der bereits erwähnten engen Verwandtschaft zu Time Warner sehr wahrscheinlich. Dessen Aktie stieg übrigens letzte Woche rasant.

Netflix' Trümpfe: Daten, technisches Know-How

Gleichzeitig hat Netflix natürlich noch einige Trümpfe: Man verfügt bereits über riesige Datenmengen, die Bestandskunden durch ihr Binge-Watching hinterlassen haben. Dadurch weiß der Videostreamer, welche Filmtitel wohl populär werden und kann in der Breite des Angebots sparen. Auch für Eigenproduktionen ist die Big Data sehr hilfreich. Zusätzlich verfügt Netflix über das technische Know-How, einen Streamingservice für Millionen Kunden zu schupfen. HBO hatte hingegen bereits beim Betrieb von HBO Go massive Probleme, etwa bei den Game of Thrones-Staffelpremieren.

Amazon als krasser Außenseiter - mit Achtungserfolgen

Und dann kommt da noch ein dritter, den momentan kaum jemand auf der Rechnung hat: Denn auch Amazon will im Videostreaming-Markt mitmischen. Der Außenseiter ist dabei als IT-Konzern naturgemäß Netflix um einiges Näher: Amazon verfügt über eine schier unendliche Masse an Kundendaten und hat dank des riesigen Cloud-Services Erfahrung mit viel Internetverkehr. Im Gegenzug dazu hat Amazon bislang keine Expertise bei eigenproduzierten Inhalten. Dennoch schaffte es der Neuling diesen Herbst, mit seinen Amazon Video-Serien zu überzeugen: Die Show "Transparent" über einen transsexuellen Familienvater gilt als beste Drama-Serie des Herbstes, schneidet beim Review-Aggregator MetaCritic etwa mit 91 Prozent hervorragend ab.

Gemischte Gefühle bei Kunden

2015 könnte also ein richtungsweisendes und definitiv spannendes Jahr im Bereich Streaming sein. Aus Kundenperspektive ergeben die Entwicklungen gemischte Gefühle: Mehr Ressourcen für hochwertige Eigenproduktionen und ein etwaiger Preiskampf sind natürlich positiv zu sehen. Gleichzeitig zersplittert sich der Markt dahingehend, dass jeder Anbieter mit Exklusivdeals locken möchte. Allerdings sehen Branchenbeobachter wie James Surowiecki (New Yorker) "kein Nullsummenspiel": Kunden könnten sich durchaus auch zwei oder sogar drei unterschiedliche Abos holen.

Auch im deutschsprachigen Raum steigt Druck

Im deutschsprachigen Raum deuten sich diese Entwicklungen noch in versetzter Form ab: Zwar stieß Netflix beim Deutschland-Start laut Süddeutscher Zeitung bereits auf 50 Konkurrenten, diese waren allerdings zuvor nicht wirklich in Fahrt gekommen. Jetzt hat auch Hauptrivale Sky mit Sky Snap reagiert, ein Preiskampf findet bereits statt. Gleichzeitig wollen deutsche Produzenten angeblich mit Hilfe der öffentlich-rechtlichen Sender eine Netflix-Alternative mit deutschen und europäischen Inhalten aufbauen. Der ORF plant mit Flimmit Ähnliches. Netflix bleibt trotzdem vorerst gelassen - kein Wunder, hat die Firma mit der Etablierung einer postalischen Videothek und dann dem Streaming bereits zwei Mal gezeigt, wie man sich erfolgreich neu erfindet. (Fabian Schmid, derStandard.at, 25.10.2014)