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Claudia Bandion-Ortner als Richterin im Talar.

Die Abaya ist ein traditionelles islamisches Kleidungsstück. Als mantelartiges Übergewand ist sie meist in Schwarz gehalten und reicht vom Hals bis zu den Füßen. In Saudi-Arabien ist das Tragen einer Abaya für Frauen in der Öffentlichkeit gesetzliche Pflicht – in Verbindung mit einem Kopftuch. Nichtmuslimische Ausländerinnen dürfen auf Letzteres verzichten.

Somit ist das Tragen einer Abaya in Saudi-Arabien keine Angelegenheit der persönlichen Wahl, sondern Zwang. Ob man eine Abaya kleidsam findet, ob man sie als praktisches Kleidungsstück einschätzt oder nicht, ist sekundär. Auch Frauen, die das Kleidungsstück scheußlich, unpraktisch und unbequem finden, müssen es anziehen.

Bittere Selbstunterwerfung

Dies verleiht den Äußerungen der ehemaligen österreichischen Justizministerin und nunmehrigen Generalsekretärin des von Saudi-Arabien finanzierten König-Abdullah-Dialogzentrums in Wien, Claudia Bandion-Ortner, den bitteren Geschmack der Selbstunterwerfung:

"Ich muss sagen: Sie (die Abaya, Anm.) ist praktisch. Ein angenehmes Kleidungstück. Sie hat mich ein bisschen an den Talar erinnert, den bin ich ja gewöhnt", sagt Bandion-Ortner im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Profil". Ein Kopftuch habe sie bei ihrem Saudi-Arabien-Besuch nicht tragen müssen, vergisst sie nicht zu erwähnen.

Persönliche Freiheit?

Einen Talar trug Bandion-Ortner zuletzt als Richterin, bevor sie Ministerin wurde. Damals war sie mitverantwortlich für die Rechtsprechung in Österreich, einem Land, in dem die persönliche Freiheit hochgehalten wird – Wahl der Kleidung inklusive. Wäre ihr das "Praktische" an einer Abaya auch in dieser Funktion erwähnenswert erschienen, etwa, wenn sie über einen in einer muslimischen Familie eskalierten Konflikt zu richten gehabt hätte? Wohl kaum.

Somit ist nicht von der Hand zu weisen, dass Bandion-Ortner die saudi-arabische Frauen-Kleiderordnung jetzt vielleicht nur deshalb zu schätzen weiß, weil sie in einer Saudi-finanzierten Institution arbeitet. Denn gezwungen, die Abaya zu loben, wird sie ihren eigenen Aussagen zufolge von niemandem: "Saudi-Arabien mischt sich in unsere Arbeit überhaupt nicht ein", sagt sie in dem Interview.

Saudische Todesstrafe – nicht so schlimm?

Statt diese Nichteinmischung zu nutzen, um den saudischen Abaya-Zwang zumindest deutlich als solchen zu benennen, relativiert die ehemalige österreichische Justizministerin und Richterin. Und nicht nur beim Thema Kleidung, auch beim Thema Todesstrafe.

Diese werde in Saudi-Arabien, wo heuer bereits mehr als 60 Menschen hingerichtet wurden, "nicht jeden Freitag" angewendet, sagt sie. Beim Generalsekretär von Amnesty Österreich, Heinz Patzelt, erntet sie damit harsche Kritik - zu Recht. Wie kann man eine solche Äußerung aus dem Mund der Ex-Justizministerin eines Staates nennen, der ohne Wenn und Aber gegen die Todesstrafe eintritt – außer unverantwortlich? (Irene Brickner, derStandard.at, 19.10.2014)