Es nennt sich Upcycling, wenn aus gebrauchten Produkten wieder höherwertige Produkte werden. Ein ausrangierter Koffer wird so zum Kleiderkasten, alte Paletten werden zur Garderobe.

Barbara Sas
Barbara Sas

Wien - Ein altes Piano wird in einem Hotelzimmer als Schreibtisch verwendet, unter der Glasplatte schimmern die abgegriffenen Tasten durch. Aus Melonen, also den klassisch steifen runden Hüten und nicht der Frucht, wurden Lampenschirme gebastelt. Ein uralter Koffer hat seine neue Bestimmung als Kleiderschrank gefunden. Nicht mehr gebrauchte Fahrräder finden sich in vielfacher Gestalt wieder: Gepäcksträger sind als Halterungen fürs Klopapier in Verwendung, die Räder selbst hängen mit an den Speichen angebrachten Leuchten von der Decke, aus Pedalen wurde das Grundgerüst für Regale gemacht.

Wenn man sich in den sieben neu gestalteten Gäste-Räumlichkeiten des Boutiquehotels Stadthalle im 15. Wiener Bezirk genauer umsieht, braucht man bei Hotelchefin Michaela Reitterer nicht mehr nachfragen, warum diese Upcycling-Zimmer heißen. Mit Liebe zum Detail und in Zusammenarbeit mit der Universität für angewandte Kunst wurden alte Gebrauchsgegenstände nicht einfach nur wiederverwertet, sondern aufgewertet.

Tennisschläger werden zum Spiegel

So geben alte Tennisschläger aus Holz neuerdings einen stylishen Spiegel im Bad her. In der Garderobe finden sich alte Gabeln (als Haken) und eine Holzleiter, an deren Sprossen Kleidungsstücke aufgehängt werden können. Die Zacken des alten Holzrechens werden als Halterung für Weingläser genutzt. Und aussortierte Holzpaletten werden entweder als Bücherregal oder als Schubladen wiederverwendet.

Das Boutiquehotel Stadthalle gilt als Vorreiter in Sachen Umweltprojekte im Hoteliersgewerbe. Das hauseigene Brunnenwasser wird für die Gartenbewässerung verwendet, ein großes Lavendelfeld wurde auf das Dach des Innenhofs gepflanzt. Der geerntete Lavendel findet dann Eingang in die Küche oder wird in getrockneter Form an Gäste verkauft. Dazu gibt es eine begrünte Außenfassade und eine grüne Wand mit Farnen und Kräuterpflanzen im Eingangsbereich.

Null-Energiebilanz

Mit einer 130 Quadratmeter großen Solaranlage, einer Photovoltaikanlage (93 m2) und einer Grundwasser-Wärmepumpe wird Energie erzeugt, die im als Passivhaus ausgerichteten Gebäudetrakt verbraucht wird. Passt die Energieerzeugung, geht sich für das gesamte Hotel eine Null-Energiebilanz aus.

Die Schwankungen in der Energieerzeugung könnten freilich abgefedert und optimiert werden, wenn - wie geplant - auch Windräder auf dem Dach montiert worden wären. "Das Hotel ist statisch dafür ausgerichtet. Das haben wir so gebaut", sagt Hotelchefin Reitterer. Seit fast fünf Jahren kämpft sie um die Genehmigung für die Kleinwindkraftanlage. Es scheiterte bisher am Einspruch von Anrainern. "Ich habe die Windräder aus dem ersten rechtsgültigen Bescheid nehmen lassen", sagt Reitterer. "2015 werden wir wieder einreichen. Es geht in die nächste Runde."

Neue TU-Studie

Diesmal in Kooperation mit der Technischen Universität (TU) Wien: Denn diese will in einer Studie die Auswirkungen von Vertikalachsen-Windrädern auf Dächern in der Stadt untersuchen. "Wir haben eine Windmessanlage auf unserem Dach stehen und können Ergebnisse der letzten vier Jahre anbieten", sagt Reitterer. "Wir können zeigen, welchen Strom wir erzeugen hätten können." Dass es nur in der Theorie geblieben ist, ärgert Reitterer. "Wien will eine Smart City sein. Aber in diesem Bereich tut sich gar nix. Wenn man überlegt, wie viele Gebäude die wachsende Stadt in den nächsten Jahren bauen muss, ist es eine Frechheit, dass man die Möglichkeit von Windrädern auf Dächern nicht mitdenkt. Bei meinem Windrad könnte man Erfahrungswerte sammeln. Selbst wenn das Resultat ist, dass es nicht die erhoffte Wirkung bringt." (Von David Krutzler, DER STANDARD, 23.10.2014)