Opponitz/Wien - Es war das allererste Mal, dass das Wiener Rathaus am Abend hell erstrahlte: Am 12. November 1924 wurde damit nicht nur der Staatsfeiertag der Ersten Republik gefeiert - sondern auch die baldige Fertigstellung des Wasserkraftwerks Opponitz in Niederösterreich.
Strom für die Stadt - Licht für die Stadt! Das war eine derartige Errungenschaft, dass die Stadtverwaltung sogar regelmäßig ein eigenes "Lampenjubiläum" feiern ließ. Die Energie dafür lieferten vor allem zwei Kraftwerke: Jenes in Gaming an der II. Wiener Hochquellenwasserleitung - und eben das Kraftwerk Opponitz an der Ybbs.
Energiewende vor 90 Jahren
Das Thema war übrigens damals das gleiche wie auch heute: Heimische erneuerbare Wasserkraft sollte die Energiegewinnung von importierten fossilen Energieträgern unabhängig machen. Damals war es noch Kohle, die für die Gaserzeugung importiert worden war - die aber nach und nach zu teuer geworden war. Mit dem daraus gewonnenen Gas waren die ersten Straßenbeleuchtungen betrieben worden, die nun sukzessive durch Stromleuchten ersetzt wurden.
Allein das Kraftwerk Opponitz hatte damals das gesamte Ybbstal versorgt und rund ein Drittel des gesamten Wiener Stromverbrauchs geliefert. Heute, genau 90 Jahre später, produziert es immer noch wie seinerzeit Strom - jetzt sind es aber gerade einmal drei Prozent der Wiener Haushalte, die damit versorgt werden, zudem das obere Ybbstal und das Skigebiet Hochkar. Das aber nur, weil dieses historisch so bedeutsame Kraftwerk in den letzten eineinhalb Jahren um rund 30 Millionen Euro ertüchtigt wurde. "Die installierte Leistung wurde dabei von 9,6 auf 12,6 Megawatt erhöht", erläuterte Wien-Energie-Geschäftsführerin Susanna Zapreva bei der feierlichen Eröffnung Mitte Oktober.
Elf Kilometer Abkürzung
Um dies zu erreichen, musste zunächst einmal die Wehranlage oben in Göstling erneuert werden. Parallel dazu wurde aber auch der Stollen zwischen Göstling und Opponitz erneuert - diese beiden Orte liegen nur elf Kilometer Luftlinie voneinander entfernt - während die Ybbs über 34 Kilometer lange Schleifen und Mäander durch das Voralpengebiet insgesamt 120 Höhenmeter hinunterfließt.
Durch diese beiden Maßnahmen konnten mit der Kraftwerkssanierung aber auch andere Ziele erreicht werden. So hat die Fischerei in diesem Abschnitt der Ybbs einen sehr hohen Stellenwert - Bachforellen tummeln sich hier, Regenbogenforellen, Äschen, Koppen, Aalrutten, Huchen und noch viele mehr. Für sie bleibt durch die Erneuerung der Wehranlage deutlich mehr Wasser in der Ybbs. Die Restwassermenge wurde sogar um das Fünf- bis Neunfache erhöht - von 0,25 auf 1,2 bis 2,2 Kubikmeter pro Sekunde, was in der großen Ybbs-Schleife deutlich mehr hochwertige Lebensräume für die Fische mit sich bringt, wie eine Begleitstudie der Universität für Bodenkultur belegte.
Neue Fischaufstiegshilfe
Dazu kommt eine neue Fischaufstiegshilfe, die nun errichtet werden konnte. Sozusagen eine wasserführende Treppe, über die Fische die Wehranlage überwinden können. Und sogar hier wird nun Strom erzeugt - mit einer neuen Restwasserturbine. Gleichzeitig konnte aber auch der Hochwasserschutz für die Region deutlich verbessert werden, wie Zapreva betont.
Das historische Kraftwerkshaus in Opponitz aber wurde nicht angetastet. Wie ein Schloss schmückt es das Ybbstal und ist inzwischen schon längst denkmalgeschützt. Auch im Inneren schließt noch die prachtvolle hölzerne Kassettendecke aus den 1920er-Jahren die hohe Turbinenhalle ab. Die technische Einrichtung ist nun aber komplett auf dem Stand der Zeit: Hier sind die Verteilerrohre, die Turbinen und Generatoren bereits in den 90er-Jahren erneuert worden.
"Gerüstet für die nächsten 90 Jahre"
Und damit hofft Zapreva in Summe, dass auch das letzte Ziel der aktuellen Investition erreicht wurde: "dass dieses Kraftwerk nun auch für die nächsten 90 Jahre gut gerüstet ist."
Wobei auf die Wasserkraft in ganz Österreich wie vor 90 Jahren immer noch die gleichen Hoffnungen wie damals im Jahr 1924 gesetzt werden: dass sie ganz entscheidend mithilft, fossile Stromerzeugung durch erneuerbare Energie zu ersetzen. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 23.10.2014)