Die Stromboje der Firma Aqua Libre mit auf Hochglanz poliertem Zylinder lässt sich zur Stromgewinnung in Flüssen versenken.

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Wien - Die Zeiten für Anhänger der Kleinwasserkraft waren auch schon lustiger. Für viele Betreiber von Kleinanlagen bis zehn Megawatt Engpassleistung geht es schlicht um das wirtschaftliche Überleben. Der Grund dafür sind die Verwerfungen am europäischen Strommarkt.

Die Preise für elektrische Energie sind an der Börse auf kaum für möglich gehaltene Niveaus gesunken. Zum Teil kostet Strom nur unwesentlich mehr als drei Cent die Kilowattstunde. Dass der Konsument davon nichts merkt, hängt mit den Förderungen zusammen. Je tiefer der Marktpreis für Energie, desto höher der Ökostromzuschlag, mit dem die Differenz zum garantierten Einspeisetarif laut derzeit geltendem Gesetz 13 Jahre lang abgedeckt wird.

Viel zu tiefer Marktpreis

Da nun Zug um Zug Anlagen aus dem Förderregime fallen, weil seit der Inbetriebnahme schon 13 Jahre vergangen sind, sehen sich viele Betreiber vergleichsweise noch junger Anlagen mit der Tatsache konfrontiert, dass das Kraftwerk noch nicht abgeschrieben ist, der Marktpreis aber viel zu tief ist. Verzinsung und Amortisation können somit nicht verdient werden. In manchen Fällen hilft Verkaufen, etwa an Landesenergiegesellschaften, sofern der Standort gut ist. Andernfalls hilft nur Weiterwursteln und Auf-Besserung-Hoffen. i

i"Die Situation hat sich in letzter Zeit dramatisch verschlechtert", sagte Bernhard Pelikan vom Institut für Wasserwirtschaft der Wiener Universität für Bodenkultur, dem STANDARD. "Das ist für viele eine mehr als kritische Phase."

Bürokratischer Aufwand

Darauf weist auch Kleinwasserkraft Österreich hin. Die Interessenvertretung zählt österreichweit rund 1000 Mitglieder. Nicht nur die finanziellen Rahmenbedingungen gäben zu denken, auch der bürokratische Aufwand, von der Planung bis zur Errichtung einer neuen Anklage, sei beachtlich. Ein Blick zurück könnte glauben machen, dass früher alles oder zumindest vieles einfacher gewesen ist. Das ist nur bedingt richtig.

Eine erste Boomphase gab es in den 1980er-Jahren. Damals wurde erstmals in Österreich ein Förderinstrumentarium für Kleinwasserkraftwerke aufgelegt. Ende der 1980er- / Anfang der 1990er-Jahre war es wieder vorbei, der Zubau stagnierte. Ein nächster Lichtstrahl fiel 2002 auf die Branche. Im Gefolge der Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie gab es ein Abgehen von den bis dorthin vom Goodwill der einzelnen Landesregierungen abhängigen Förderungen hin zu bundeseinheitlichen Einspeisetarifen. Das war insbesondere für Kleinwasserkraftfreaks in Ländern wie beispielsweise Tirol ein Gewinn, wo es zuvor fast null Unterstützung gegeben hatte.

Verfeinertes Förderinstrumentarium

2003/04 wurde das Förderinstrumentarium verfeinert, die Unterstützungszahlungen wurden in Abhängigkeit von der eingespeisten Strommenge gebracht und für 13 Jahre garantiert. Damit war Planbarkeit gegeben, eine wichtige Voraussetzung für Investitionen. Die Zahl der Kleinwasserkraftwerke, die neu ans Netz gingen, schwoll wieder an.

Derzeit hängen nach Angaben der Interessenvertretung Kleinwasserkraft Österreich rund 2900 als Ökostromanlagen anerkannte Kleinwasserkraftwerke am Netz. Alle zusammen produzieren rund sechs Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr, das entspricht etwa zehn Prozent des Strombedarfs in Österreich oder sechs Donaukraftwerken in der Dimension von Wien-Freudenau. Und es gibt noch Potenzial.

2,5 Milliarden Kilowattstunden zusätzlich

Nach einer Studie von 2008 könnten bis zum Jahr 2020 noch bis zu 2,5 Milliarden Kilowattstunden Strom zusätzlich in Kleinwasserkraftwerken erzeugt werden - 0,5 Milliarden bis eine Milliarde durch Revitalisierung bestehender Anlagen, eine Milliarde bis 1,5 Milliarden durch Neubauten.

Für Pelikan von der Universität für Bodenkultur ist dies "realistisch und wünschenswert", auch wenn im Moment wenig weitergehe, wie er sagt. Zwei Hauptgründe gebe es dafür. Zum einen die Bewilligungsverfahren, vor allem umweltrelevante Auflagen wie die Restwasservorschrift. Pelikan: "Wenn man 30 bis 35 Prozent des Wassers für die Stromproduktion verliert, gefährdet das die Wirtschaftlichkeit." Und die zweite Bremse ist - wenig überraschend - der tiefe Strompreis. Auch dieser animiere nicht gerade zum Bauen neuer Anlagen.

Gut berechenbare Produktion

Was trotz der augenblicklich widrigen Umstände für die Kleinwasserkraft spreche, sei ihre Berechenbarkeit. Im Gegensatz zu Wind- und Sonnenenergie, die bei Flaute und Schlechtwetter auslassen, sei die Stromproduktion in Kleinwasserkraftwerken, übers Jahr gesehen, stetig, man erspare sich teure Speicher. Und: "Das Werkl rennt 60, 70 Jahre und mehr, wenn man es pflegt", sagte Pelikan. (Günther Strobl, DER STANDARD, 23.10.2014)