Wien - Eigentlich ergab die ungewohnte Programmkonstellation schon einigen Sinn. Die Kombination von Bach und Bruckner zu Beginn der dreitägigen Residenz des Gewandhausorchesters im Musikverein machte es nämlich offenkundig, dass sich nicht nur beide Komponisten auch in ihren weltlichen Werken um eine Repräsentation des Überweltlichen bemühten. Auch anderweitig hört man Bruckner unmittelbar nach Bach anders - in Hinblick auf die Proportionen und vor allem auf die Polyfonie, zumal wenn die Interpreten solchen Verbindungen besonderes Augenmerk schenken.
Allerdings hat es schon auch eine gewisse Folgerichtigkeit, dass es völlig aus der Mode geraten ist, Barockmusik mit großen Symphonieorchestern aufzuführen. Die Leizpiger könnten ins Treffen führen, dass die Wurzeln ihres Klangkörpers noch auf Bachs Lebzeiten zurückgehen.
Und bei der Ouvertüre [Suite] Nr. 4 in D-Dur wurde schon auch deutlich, dass die historisch informierte Aufführungspraxis nicht ganz spurlos am Orchester und seinem Chefdirigenten vorbeigegangen ist: Das Bemühen um schlanke Artikulation und klare Phrasierung war offenkundig. Freilich wirkte nicht nur Riccardo Chaillys Ansatz, viele musikalische Gesten geradezu psychologisierend ausdeuten zu wollen, einigermaßen anachronistisch.
Insgesamt blieb der Orchesterklang zu dick und behäbig, zu wenig flexibel, er erinnerte somit ein wenig an eine gut geölte Nähmaschine. So richtig in Fluss kam das Werkl dann aber erst bei Bruckners 7. Symphonie, bei der Tempi, Tongebung und Phrasenbildung zu einem gemeinsamen Nenner fanden.
Geballte Klangmassen
Es mag sein, dass man Bruckner schon grenzwertiger und explosiver gehört hat, doch blieben die heiklen formalen Dimensionen ebenso in Balance wie die geballten Klangmassen, die nobel und kultiviert im Zaum gehal- ten wurden. Kein derber Holzschnitt also, sondern eher ein opulentes Ölgemälde. Donnernder Applaus. (Daniel Ender, DER STANDARD, 21.10.2014)