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Beim Zusammenstoß mit einem Schneepflug starb Christophe de Margerie, Chef von Total, Europas drittgrößtem Ölkonzern. De Margerie führte Total seit 2007.

Foto: Reuters/Doppagne

Die Katastrophe ereignete sich in der Nacht zum Dienstag auf dem VIP-Flughafen Wnukowo-3 bei schlechten Witterungsbedingungen. Das Flugzeug von Total-Chef Christophe de Margerie, eine Falcon-50, war gerade beim Beschleunigen vor dem Start, als es mit dem Flügel ein Schneeräumfahrzeug rammte. Das dreistrahlige Kleinflugzeug fing Feuer und brannte trotz der Löschmaßnahmen völlig aus. Alle vier Insassen, drei Besatzungsmitglieder und der Total-Konzernchef, starben.

Der Schneepflugfahrer überlebte den Unfall relativ unbeschadet. Allerdings warten auf den Mann nun erhebliche Unannehmlichkeiten. Die Behörden haben ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. "Derzeit ist bereits bekannt, dass der Fahrer des Schneeräumfahrzeugs betrunken war", erklärte der Sprecher des Ermittlungskomitees, Wladimir Markin.

"Chronische Herzstörungen"

Alexander Karabanow, der Anwalt des Beschuldigten, widersprach der Darstellung der Staatsanwaltschaft: "Mein Klient leidet an chronischen Herzstörungen und trinkt daher keinen Tropfen. Das können seine Ärzte und Angehörigen bestätigen", sagte Karabanow. Tatsächlich ist die Schuldfrage bisher noch offen. Neben dem Schneepflugfahrer wird auch gegen den Dispatcher ermittelt. Die sichergestellten Flugschreiber sollen weitere Auskünfte über den Unfall geben.

Die Ermittlungsbehörden werden vom Kreml zur Eile gedrängt. Sowohl Präsident Wladimir Putin, als auch Premier Dmitri Medwedew haben nach der Katastrophe den Hinterbliebenen bereits ihr Beileid ausgesprochen. Medwedew versprach daneben in einem Telegramm an Frankreichs Premier Manuel Valls eine "schnellstmögliche Aufklärung" des Falles.

De Margerie war auf dem Weg zurück von einer Konferenz der russischen Regierung, bei der es um das Anwerben ausländischer Investitionen ging. Aufgrund der vom Westen verhängten Sanktionen hat sich eine Reihe von Unternehmen aus Russland zurückgezogen. Total gehört nicht dazu. De Margerie hatte sich im Juli auch deutlich gegen die Sanktionen ausgesprochen und erklärt, dass Total - seit 1999 in Russland tätig - weiterhin an den Plänen festhalte, im Nordwesten Sibiriens Gas zu fördern.

Gegner von Sanktionen

Den als engen Putin-Vertrauten von Sanktionen betroffenen Gunvor-Mitgründer Gennadi Timtschenko bezeichnete de Margerie als Freund. Auch bei seinem letzten Auftritt in Moskau blieb er seiner Linie treu: "Die Politik nimmt das Business als Geisel", beklagte er die Sanktionen und erklärte, weiter in Russland investieren zu wollen.

In letzter Zeit musste de Margerie vor allem an der Weltmarktfront kämpfen, da der Jahresgewinn 2013 auf "nur" noch 10,8 Milliarden Euro sank. Der Total-Boss kündigte einen Sparplan und die Beschränkung auf das Öl- und Energiegeschäft an, während die Sparten Chemie und Pharma abgestoßen werden. Danach wollte er abtreten. Sein altersbedingter Rücktritt wurde heuer noch durch einen Statutenwechsel hinausgezögert. Margerie erklärte aber seit einem halben Jahr, er suche einen - internen - Nachfolger. Als Favoriten für seinen Chefsessel gelten Marketingdirektor Philippe Boisseau (52) und Raffinerie-Vorsteher Patrick Pouyanné. Zu dem Wirtschaftsforum in Moskau war der Total-Boss ohne jeden Mitarbeiter geflogen. Außenstehende Branchenexperten fragen sich, ob Margeries Unterredung mit Premier Dmitri Medwedew dem Management überliefert wurde.

Branche im Umbruch

Nicht nur bei Total steht ein Führungswechsel an: Die gesamte französische Energiewirtschaft ist im Umbruch begriffen. Total gehört mit Électricité de France (EDF), Areva und GDF Suez zum Quartett der französischen Energiebranche, die weltweit aktiv ist und vielenorts eine Leaderstellung ausübt. Der Zufall will es, dass derzeit in allen vier Konzernen ein Führungswechsel ansteht. Während der Privatkonzern Total eine interne Lösung bevorzugt, stehen die drei anderen Großunternehmen unter Staatseinfluss, weshalb ihre Vorsteher von oben - im Klartext: vom Staatspräsidenten - ausgewählt werden.

Krisensitzung bei Total

Total berief noch in der Nacht eine Krisensitzung am Unternehmenssitz im Geschäftsviertel La Défense am Rand von Paris ein. De Margerie hatte den Mineralölkonzern zuletzt stärker ins Geschäft in Russland gebracht, unter anderem durch ein gemeinsames Projekt in Sibirien mit dem russischen Konzern Lukoil. Außerdem ist Total bei der Gasförderung auf der russischen Jamal-Halbinsel mit dabei. Ziel war, mehr von den großen russischen Naturreserven zu profitieren.

De Margerie arbeitete seit 1974 für das Unternehmen, aus dem später Total wurde, und war seit 2007 Firmenchef. Der Manager, wegen seines großen Schnauzbarts auch "Big Moustache" genannt, war Vater von drei erwachsenen Kindern und gehörte mütterlicherseits zu den Nachkommen der mit Champagner und Luxushotels groß gewordenen Taittinger-Dynastie. (André Ballin aus Moskau, Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 22.10.2014)