Brüssel/Kiew - Der Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland soll EU-Energiekommissar Günther Oettinger zufolge erst in der kommenden Woche entschieden werden. "Mit etwas gutem Willen müsste kommende Woche eine Einigung möglich sein", sagte Oettinger am Dienstag nach mehrstündigen Verhandlungen mit Vertretern Russlands und der Ukraine in Brüssel.

Oettinger sprach immerhin von wichtigen Fortschritten. Es gebe damit eine "gewisse Perspektive für Versorgungssicherheit im Winter für alle europäischen Bürger". Knackpunkt ist offenbar, dass Russland Gas an die Ukraine im Winter nur gegen Vorauszahlung liefern will. "Wir mussten das als Voraussetzung akzeptieren", sagte Oettinger. Nun müsse geklärt werden, welche Mengen Gas die Ukraine brauche und bezahlen könne. Die Finanzierung einer angenommene Menge von vier Milliarden Kubikmetern sei nicht gesichert.

3,1 Milliarden Dollar Schulden

Der ukrainische Energiekonzern Naftogaz habe sich aber verpflichtet, bis Jahresende offene Rechnungen in Höhe von 3,1 Milliarden Dollar zu zahlen. Vereinbart sei zudem, dass die Ukraine bis Ende März für Lieferungen 385 Dollar pro 1.000 Kubikmeter zahlt. Die russische und ukrainische Regierung hatten am Wochenende eine vorläufigen Einigung im Gasstreit verkündet. Oettinger sagte, der Eindruck sei aber falsch, dass schon beim EU-Asien-Gipfel in Mailand eine Einigung in allen Punkten erreicht worden sei.

Die EU vermittelt in dem Streit, der auch die Erdgasversorgung der Gemeinschaft gefährden könnte. Die EU erhält ein Drittel ihres Erdgases aus Russland, die Hälfte davon strömt durch ukrainische Leitungen. Sie befürchtet, dass die Ukraine in Notlagen Gas daraus abzweigen könnte.

EU soll zahlen

Die Gesprächsrunde am kommenden Mittwoch soll nach Angaben Oettingers erneut in Brüssel stattfinden. Zuvor hatte die EU-Kommission angedeutet, der Ukraine bei der Begleichung offener Rechnungen unter die Arme greifen zu können. Die Ukraine habe die EU um weitere Kredithilfen in Höhe von zwei Milliarden Euro gebeten, sagte ein Sprecher der Kommission.

Die Anfrage werde nun gemeinsam mit der ukrainischen Regierung und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bewertet, bevor dem EU-Parlament und dem Rat als Vertretung der EU-Staaten ein entsprechender Vorschlag unterbreitet werde. Die EU-Kommission stehe dazu, die Ukraine weiter zu unterstützen, ergänzte der Sprecher des EU-Wirtschaftskommissars Jyrki Katainen.

Einfuhrverbot

Die russische Lebensmittelbehörde hat am Dienstag die Einfuhr pflanzlicher Produkte aus der Ukraine untersagt. Damit solle verhindert werden, dass das von Moskau im August verhängte Einfuhrverbot für Lebensmittel aus der EU umgangen werde, teilte die Behörde am Dienstag mit.

Es habe einen deutlichen Anstieg bei der Einfuhr pflanzlicher Produkte aus der Ukraine gegeben, die kein Etikett hätten, oder bei denen das Etikett absichtlich entfernt worden sei. Dies zeige, dass sie nicht aus der Ukraine stammten, sondern aus der EU, und damit unter das Einfuhrverbot fielen.

Russland hatte erst am Montag seinen Einfuhrstopp für zahlreiche Lebensmittel aus der EU auf Schlachtabfälle, Tierfett und Tiermehl erweitert. Auch weitere Nebenprodukte der Schweine-, Rind- und Geflügelfleischproduktion dürfen nicht mehr eingeführt werden. In Reaktion auf die westlichen Sanktionen in Zusammenhang mit der Ukraine-Krise hatte Russland Anfang August einen umfassenden Importstopp für Lebensmittel verhängt. Betroffen sind davon Fleisch, Obst, Gemüse und Milchprodukte aus der EU, den USA, Kanada, Australien und Japan. (APA/Reuters, 21.10.2014)