Wien - Ein freies Neutron hat die Neigung, nach kurzer Zeit zu zerfallen. Untersucht man diese Zerfälle, lassen sich Vorhersagen des Standardmodells der Teilchenphysik überprüfen. Forscher der Technischen Universität (TU) Wien haben nun ein neues Konzept für einen Detektor für Neutronenzerfälle entwickelt und realisieren diesen nun an einer Neutronenquelle in München.

Knapp 15 Minuten beträgt die Halbwertszeit freier Neutronen, sie zerfallen in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino. So weit ist alles klar im Standardmodell der Teilchenphysik, mit dem alle bekannten Elementarteilchen und die Wechselwirkungen zwischen ihnen beschrieben werden.

Detailfragen ungeklärt

Dieses Standardmodell sagt aber auch verschiedene Wechselbeziehungen voraus, die noch nicht genau genug experimentell untersucht sind - etwa über den Zusammenhang zwischen dem Spin, also der magnetischen Orientierung des Neutrons, und der Richtung, in die sich die Zerfallsprodukte bewegen. Bisher war die Untersuchung solcher Korrelationen aber schwierig. Man konnte den Neutronenstrahl nur in einem relativ kleinen Bereich von einigen Zentimetern untersuchen. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass ein Neutron genau dort zerfällt.

An der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universität (TU) München entsteht derzeit ein neues wissenschaftliches Instrument (Proton and Electron Radiation Channel, PERC), mit dem man Neutronenzerfälle auf einer acht Meter langen Strecke analysieren kann. "Statt bisher maximal 50.000 Ereignisse pro Sekunde wird man dann bis zu acht Millionen Ereignisse pro Sekunde beobachten können", sagte Gertrud Konrad vom Atominstitut der TU Wien. Zur Analyse der Zerfallsprodukte müssen diese aber gezielt zu einem Detektor geleitet werden.

Und dafür hat die Physikerin mit ihrem Team ein völlig neues Konzept entwickelt. Üblicherweise geschieht dies mit zwei unterschiedlichen, im rechten Winkel zueinander stehenden Magnetfeldern, wodurch die Teilchen - abhängig von ihrem Impuls - an verschiedene Stellen des Detektors gelenkt werden.

Gekrümmtes Magnetfeld erleichtert Beobachtung

Konrads Detektor arbeitet dagegen mit nur einem, leicht gekrümmten Magnetfeld. Dies eignet sich besonders gut zur Beobachtung von Teilchen mit sehr geringem Impuls. "Das ist sehr wichtig, denn gerade in diesem Bereich liefert das Standardmodell der Teilchenphysik interessante Vorhersagen, die wir überprüfen möchten", so Konrad.

Als Beispiel nennt sie die Paritätsverletzung, wonach es physikalische Prozesse gibt, die in einer spiegelverkehrt aufgebauten Welt anders ablaufen als im Spiegelbild der normalen Welt. Die Verletzung der Spiegelsymmetrie hat zur Folge, dass Teilchen "linkshändig", Anti-Teilchen aber "rechtshändig" sind. "Wir wollen überprüfen, ob dies stimmt, oder doch auch 'rechtshändige' Teilchen existieren", sagte Konrad.

Finanziert wird der Detektor mit Kosten "vergleichbar mit jenen für einen exklusiven Sportwagen" teilweise von der TU sowie aus Drittmitteln. (APA/red, derStandard.at, 26.10.2014)