
Feminismus ja und nein. Suzi Quatro hat für die Selbstermächtigung weiblicher Musikerinnen einiges geleistet. Für die Fantasien männlicher Mopedrocker aber auch.
Wien - In manchen Karrieren erscheinen Höhe- und Tiefpunkt deckungsgleich. Suzi Quatro ist so ein Fall. 1978 erschien die Single Stumblin' In. Es war ein Duett mit dem Sänger der britischen Popband Smokie und wurde ihr größter kommerzieller Erfolg. Ein Smash-Hit rund um den Globus.
Auf dem Cover der Single stehen die beiden vor einem Baum. Chris Norman trägt eine Herrendauerwelle, sie lehnt an ihm. Mit solchen Bildern verkaufte die Werbung damals Mittelklassewagen oder Zigaretten der Marke Ernte 23. Das Lied läuft bis heute in den Regionalsendern und besitzt eine Ohrwurmqualität, an der das Wort Penetranz klebt.
Das Image der Suzi Q gerufenen Musikerin wurde von dem Foto auf den Kopf gestellt. Bis dahin galt sie als erste Frau des Cockrock, des Schwanzrock, der per definitionem den Herren an der Gitarre vorbehalten war. Doch zur hohen Zeit des Glamrock tauchte in England eine Amerikanerin auf und spielte ihren Bass wie ihre omnipotenten Kollegen. Suzi Quatro trug lederne Overalls, deren Reißverschlüsse bis in den Schritt reichten. Sie sah aus wie eine Rockerbraut, mit dem Unterschied, dass sie nicht am Sozius saß, sondern am Gasgriff.
Eben ist das Boxset The Girl From Detroit City (Cherry Red) erschienen, das die über fünf Jahrzehnte dauernde Karriere Quatros umspannt.
Quatro. Bereits der Name erinnert an Untersätze von Vorstadtrockern, die aus Gewichtsgründen von zwei auf vier Räder umsteigen mussten. Suzi Quatro war ihr Postergirl. Rotzfrech und als Kind ihrer Zeit auf "geil" gestylt, spielte sie harten Rock und Boogie.
Schuld daran war ein Erweckungserlebnis der 1950 in Detroit geborenen Musikerin. Mit fünf Jahren sah sie Elvis Presley in der Ed Sullivan Show . Während ihn ihre Eltern lächerlich fanden, wusste Susan Kay Quatro: So will ich auch sein! Nachdem sie mit 14 die Beatles in derselben Show sah, gründete sie die unschuldig schlüpfrig benannten Pleasure Seekers, die Garagenrock mit Soulanleihen spielten. Drei Songs aus dem schmalen Werk der Pleasure Seekers sind auf der Box zu hören.
1971 ging Quatro auf Einladung des Produzenten Mickie Most mit ihrer Bassgitarre nach England. Das an ihr interessierte Label Elektra wollte sie zur neuen Janis Joplin machen, Most hingegen versprach ihr, sie zur ersten Suzi Quatro zu machen. Most erhielt den Zuschlag.
Zwei Jahre später erfuhr die Welt, was sie sich unter Suzi Quatro vorstellen konnte. Can The Can erschien. Ein knackiges Stück Glamrock, das in Australien und Europa ein Hit wurde und Quatros Durchbruch bedeutete. Es folgten erfolgreiche Singles und Alben, die das Image der Lederlady festigten. Quatro beeinflusste und ermutigte Musikerinnen wie Joan Jett, Chrissie Hynde von den Pretenders oder Tina Weymouth von den Talking Heads, später nannten Oasis, The White Stripes oder Goldfrapp sie als Einfluss.
Ihr Ruhm öffnete ihr viele Türen, manche schlug sie selber zu. 1974 war Quatro auf US-Tour und in Memphis. Da rief Elvis an, der ihre Version von All Shook Up gehört hatte. Er lud sie nach Graceland ein. Quatro schnappte nach Luft und sagte ab. "Danke, aber ich bin sehr beschäftigt."
Protopunk und Disco
Neben Glamrock spielte Quatro damals Protopunk und einen poppigen Funkrock, wie ihn Hot Chocolate in der Disco-Ära berühmt machten. In der Zeit erschien If You Cant't Give Me Love, ein countryesker Song, der die Rutsche zu erwähntem Schunkelduett mit Chris Norman legte.
Knietief im Eurodisco standen Songs wie She's In Love With You, der an den Disco-Stomper I Was Made For Lovin' You erinnert, den die Maskenrocker Kiss im selben Jahr veröffentlicht hatten. Ja, das waren harte Zeiten, aber Quatro schaufelte so säckeweise Geld.
Dabei steckte ihr Langzeitproduzent und Songwriter Mike Chapman seine Nase durchaus in interessante Dinge, die allerdings bis zu diesem Boxset unveröffentlicht geblieben sind. Etwa eine Coverversion von Warm Leatherette, die Chapman 1980 angeregt hatte.
Das ist ein Song des Gründers des britischen Labels Mute, Daniel Miller, und wurde ein Hit für Grace Jones. Quatros Version muss sich nicht verstecken, wurde aber aufgrund einer Textänderung - "Now let's fuck before we die!" - in der Schublade belassen.
Leder für immer
Das Spätwerk der zweifachen Mutter, die seit Jahrzehnten zwischen England, Deutschland und den USA pendelt, berührt The Girl From Detroit City zwar, neue Erkenntnisse stellen sich keine ein. Nur dass sich die heute 64-Jährige treu geblieben ist und immer noch breitbeinigen Rock spielt. Den Bass im Schritt, einen Mittelscheitel wie damals, angetan in Leder. Womit sonst? (Karl Fluch, DER STANDARD, 22.10.2014)