Armend Gjocaj, Anne Auer und Bernhard Stocker im sorgfältig entgrindeten Gastraum ihres "Dreiecks" am Weißgerbergrund.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wildschweinwürstel von einem Fleischhauer in Amstetten, - endlich einmal nicht niedergeselcht. Dazu bissfest gekochtes Sauerkraut und feiner Apfelsenf.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Für ein Wirtshaus gilt dasselbe wie für andere kleine Unternehmen: Wenn drei Kernmitarbeiter gleichzeitig den Hut draufhauen, gerät ebendieser schnell einmal in Brand. Ganz so schlimm wird es für das Praterkulissen-Restaurant Eisvogel (pikanterweise einst seinerseits von Steirereck-Abtrünnigen gegründet) hoffentlich nicht sein, dass mit Oberkellner Armend Gjocaj, Marketing- und Empfangschefin Anne Auer und dem vormaligen Chef de Partie Bernhard Stocker jetzt wesentliche Teammitglieder lieber ihr eigenes Ding machen.

Und was für eines: Mit viel Enthusiasmus, aber umso weniger Eigenkapital hat sich das Trio in ein weitum als Tranklerhütte verrufenes Tschocherl am Weißgerbergrund verschaut. Die Ecke Untere Viaduktgasse und Untere Weißgerberstraße mag nominell nach tiefer Adresse klingen, dabei ist sie an sich keine unattraktive, mit den alten Schnellbahnbögen vis-à-vis, dem Himmel, der durch die Fenster hereinleuchtet – sogar ein paar Bäume sind in Sichtweite.

Konservierende Wirkung

Weil es für neue Möbel kein Geld gab, machten sich die drei daran, den Grind der Jahrzehnte von dem herunterzukratzen, was da war – und siehe da: Ein ziemlich prachtvolles Beisl der 1950er kam zum Vorschein, samt prächtiger (und nach Motortausch auch wieder funktionsfähiger) Kühlung, perfekt erhaltener Schank und einer Uralt-Lamperie mit entzückend gearbeiteten Weinbauszenen.

Die konservierende Wirkung von Fritterdunst und kaltem Rauch bietet offenbar ungeahntes Potenzial. Auch die Klos haben musealen Charakter, aber das ist eine andere Geschichte. Die Küche ist mit gefühlten zweieinhalb Quadratmetern halt eindeutig in Tschocherldimension gehalten – fürs Gulaschwärmen und Schnitzelfrittern genug, für eine ambitionierte Küchenlinie (das Dreieck ist laut Geschäftsschild ein "Restaurant") aber ein bisserl eng.

Bernhard Stocker versucht dennoch, gleich drei verschiedene Dreigangmenüs – je eines mit Fleisch, Fisch und Gemüse im Fokus – darin zustande zu bringen. Noch wirkt nicht alles stimmig, was auf der in Dreieckform gestalteten und ein bisserl gewollt wirkenden Karte (Jakobsmuscheln im Nudelblatt?) Platz findet, die Ansätze lassen aber hoffen, dass hier eine gute Adresse am Entstehen ist.

Wildschweinwürstel

Das Schnitzel, Urmeter jeden Beisls, ist vom Schwein und aus der Pfanne, es gerät saftig, knusprig, sauber und schulmäßig souffliert – bis auf den gar klobig geschnittenen Erdäpfelsalat ziemlich nahe am Ideal. Wildschweinwürstel sind dicke, flaumige Wunderdinger von einem Fleischhauer in Amstetten, endlich einmal nicht niedergeselcht, sondern ganz der Kraft des Fleisches vertrauend. Dazu bissfest gekochtes Sauerkraut, feiner Apfelsenf, und man hat eines der besten Würstel seit langer Zeit auf dem Teller. Bei den Vorspeisen, einer dichten Rindsuppe mit gar schüchtern gekästem Kaspressknödel etwa oder beim tadellos pochierten Ei, das allzu breakfastlike mit nichts als ein paar Lachsscheibchen zu Tisch kommt, würde man sich mehr Achtsamkeit wünschen – schon gar zumal die Karte klein ist.

Noch ist hier alles im Werden – wenn es einmal länger dauert, bis die Küche schickt, dann helfen die hausgemachten Antipasti – ganz köstlich eingelegte Gemüse, die mit dem grandios butterigen Knusperbrot von Bäckerin Denise Pölzelbauer zu Tisch kommen. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 24.10.2014)