Wien bekommt also noch einen neuen Club: Er heißt Jessas. Liest man die Selbstbeschreibung der Betreiber, dann wird's klein, cool natürlich, es gibt nur Eigenveranstaltungen, Techno (nona), und der Club "hat Wien noch gefehlt".

Alle sind underground

Überhaupt, in den letzten Monaten konnte man einen interessanten Trend verfolgen: Alle machen Techno, als habe es das von Anfang an stets gegeben. Man hat genug von Pophouse und Co., das wurde alles von der Hitparade vereinnahmt und darf nun im Praterdome und ähnlichen Clubs gehört werden.

Alle sind cool, underground, abseits des Mainstreams und noch weiter weg als abseits. Es gibt mittlerweile so viele DJs wie Einwohner einer Kleinstadt, alle sind spätestens nach drei Monaten besser als die, die vorher da waren, cool, cooler, am coolsten.

Geschäftlich gefährlicher Trend

Für mich als Partyveranstalter ist es ein geschäftlich gesehen gefährlicher Trend, denn Fremdveranstalter sind nicht mehr so gerne gesehen. Zumindest vorerst einmal, bis die Clubs vielleicht draufkommen, dass sie natürlich niemals alles selber machen können, weil sie gar nicht so viel Stammpublikum haben können.

Ist die Vervielfältigung wichtig?

Ich habe die Befürchtung, hier findet eine "Zerspragelung de luxe" statt. Selbst wenn es so viele Leute mit wirklich fantastischem Musikgeschmack gibt, wo treffen sich diese? 25 da, 32 dort, 40 hier, 18 hüben, 16 drüben? Ist eine derartige Vervielfältigung tatsächlich wichtig für die Entwicklung einer eigenständigen Clubkultur, die die Stadt prägen soll? Oder zerstört der unternehmerische Mut so vieler nicht auch Schritt für Schritt mehr, als er aufbauen und entstehen lassen sollte?

Fragen über Fragen

Oder treibt eine solche Zersplitterung die Leute nicht erst recht wieder dorthin, wo sie wissen, was sie bekommen? Darf man denn 2014 noch Spaß beim Weggehen haben? Bedeutet das en gros einen Rückgang der Geburtenrate, weil alle nur mehr verzückt wirklich guter Musik lauschen? Fragen über Fragen, ich lade euch gern ein, auch cool zu sein! (Rudolf Wrany, derStandard.at, 22.10.2014)