Bild mit Seltenheitswert: Außenminister Sebastian Kurz ist einer von wenigen westlichen Politikern, die den Pekinger Bischof Joseph Li Shan bisher besuchten. Foto: Johnny Erling

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Chinas Außenminister Wang Yi empfing im Staatsgästehaus Diaoyutai seinen österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz und spielte sofort auf dessen Alter an. Der 61-jährige Karrierediplomat sagte: "Ich begrüße den jüngsten Außenminister Europas." Er fügte hinzu, dass Kurz mittlerweile 28 Jahre alt geworden sei. Schlagfertig gab der zurück: "Das mit dem Alter wird von Tag zu Tag besser". Wang antwortete, ein junger Außenminister zeige, wie "dynamisch und energisch" Österreich sei.

Aus dem Treffen, das kurzfristig zustande kam, weil Wang als Mitglied des Zentralkomitees am bis Donnerstag tagenden ZK-Plenum teilnimmt, wurde eine fast zweieinhalb Stunden - über das Mittagessen hinausgehende - Begegnung, sagte Kurz danach zu Journalisten. "Alles kam zur Sprache." Selbst ein möglicher Besuch von Bundespräsident Heinz Fischer für 2015, den beide Seiten vorbereiten wollten. Das vor zwei Jahren über den Dalai-Lama-Besuch in Wien entstandene Zerwürfnis mit Peking ist vergessen, obwohl sich Wang warnende Anspielungen nicht verkneifen konnte.

Hongkong war Thema

So war genug Zeit, um ausführlich auch über Österreichs Sorgen, von der Todesstrafe über den Umgang mit Menschenrechten bis zur Lage in Hongkong, zu sprechen. Kurz und Wang sehen nach dem Beginn des Dialogs in Hongkong zwischen Studenten und der dortigen Regierung "keine Anzeichen" mehr für eine gewaltsame Entwicklung. Weder die Regierung noch die Studenten "könnten ein Interesse an Eskalation haben", sagte Kurz. Er machte keinen Hehl daraus, dass Wien die studentischen Forderungen nach mehr Mitbestimmung als "absolut nachvollziehbar" ansehe - solange sie friedlich blieben. Wieweit Wang ihm folgte, vermochte er nicht zu sagen. Immerhin habe der Außenminister Chinas Interesse an einer friedlichen Lösung bekräftigt.

Diskutiert wurden Probleme rund um die Ukraine und Pekings Position dazu; aber auch ob Österreich für China eine Brückenfunktion nach Süd- und Osteuropa spielen könnte. Wang meldete Interesse an Kooperationen auf dem Westbalkan an. Da spielt bei beiden Partnern auch wirtschaftliches Kalkül mit. Österreich möchte sein Handelsvolumen mit China bis 2020 auf 20 Milliarden Euro verdoppeln. Am Vortag hatte das Vizekanzler Reinhold Mitterlehner verkündet, der mit einer großen Delegation am 50-Jahr-Jubiläum des österreichisch-chinesischen Wirtschaftsforums teilnahm. Kurz, der auch Integrationsminister ist, ließ sich von den guten Wirtschaftsbeziehungen nicht abhalten, am Mittwochnachmittag im privaten Rahmen auch von den Behörden drangsalierte NGO-Vertreter, Umwelt-, Behindertenrechts-, Gay-Rights-Aktivisten und andere Zivilgesellschaftsvertreter zu treffen.

Besuch bei Bischof

Am Vormittag hatte sich Kurz mit dem Pekinger Katholikenführer Joseph Li Shan von der staatstreuen Kirche in der Nantang-Kathedrale getroffen. Der 49-Jährige ist einer der doppelt anerkannten Bischöfe in der gespaltenen Kirche, der bei seiner offiziellen Wahl 2007 auch den Segen von Papst Benedikt XVI. erhielt. Er wisse, dass es einen kurzen Briefkontakt zwischen Präsident Xi Jinping und dem neuen Papst in Rom gegeben habe, als sie sich zu ihrer jeweiligen Amtsübernahme gratulierten. Ob daraus künftig mehr würde? "Ich werde dafür beten." (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, 23.10.2014)