Deutschland existiert noch. Das mag den einen oder anderen verwundern - hatte man doch in den vergangenen Wochen gelegentlich den Eindruck, es stehe der Untergang bevor, weil Piloten und Lokführer im Pingpong-Verfahren abwechselnd die Arbeit niederlegten.

Natürlich ist es lästig für Reisende, wenn sie genauer planen müssen, wenn Züge und Flüge ausfallen - von den finanziellen Verlusten für die Bahn und die Lufthansa ganz zu schweigen. Doch das Streikrecht ist ein hohes Gut, und es wird zur Witznummer degradiert, wenn Arbeitnehmer dazu gedrängt werden, weniger "wirksam" zu streiken.

Und dennoch haben die Streiks sowohl der Lokführer als auch der Lufthansapiloten mittlerweile einen üblen Beigeschmack. Beide Gruppen halten sich für die Eliten in einem Unternehmen, das nicht von ihnen alleine, sondern noch von vielen anderen wie etwa Flug- und Zugbegleitern getragen wird. Solidarität jedoch zählt nicht viel.

Die Piloten wollen nur für sich das Beste herausholen, eingespart werden kann es dann ja anderswo. Und die organisierten Lokführer streiken vor allem, weil sie eine Fehde mit anderen Eisenbahnern auszutragen haben.

Beliebt beim Volk macht man sich dadurch natürlich nicht, was aber Lokführern und Piloten, die kaum Kundenkontakt haben, egal sein kann. Deshalb sollte die Politik in die Wege leiten, was man in beiden Tarifkonflikten vermisst: den verpflichtenden Einsatz eines Schlichters. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 23.10.2014)