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Christian Keuschnigg hatte bereits im September einen Sparkurs angekündigt und war daraufhin bei einer Betriebsversammlung des IHS aufgefordert worden, die Leitung niederzulegen.
Wien - Beim Institut für Höhere Studien (IHS) kracht es gehörig. Nach einem offenen Streit und einer Kampfabstimmung im Kuratorium des Forschungsinstituts hat IHS-Chef Christian Keuschnigg seinen Rücktritt angekündigt. Keuschnigg war erst im Frühjahr 2012 als Teilzeitdirektor engagiert worden, nebenbei behielt er seine Ökonomieprofessur an der Universität St. Gallen.
Der Streit im IHS-Kuratorium schwelte seit längerem und ist am Donnerstag eskaliert. Konkret geht es um die künftige Ausrichtung des Forschungsinstituts. Das IHS leidet unter Geldknappheit. Dem Vernehmen nach fehlten rund 500.000 Euro im Budget, die Keuschnigg durch Einsparungen hereinbringen wollte. Er hat dem Kuratorium daher ein Reformkonzept vorgelegt, das unter anderem vorsah, einige Forschungsbereiche am Institut zu streichen: Betroffen gewesen wären Soziologie und Politikwissenschaft.
Im Kuratorium wurde das Konzept des IHS-Chefs aber abgelehnt. "Man ist mir in dieser wichtigen Strategieentscheidung nicht gefolgt, deshalb ziehe ich die Konsequenzen", sagte Keuschnigg am Donnerstag nach der Abstimmung dem Standard. "Diese Einsparungen hätten sicher wehgetan, erschienen mir aber unvermeidlich", so der Ökonom.
Angespannte Stimmung
Wie angespannt die Stimmung beim IHS gewesen sein muss, zeigen die Schilderungen der Kuratoriumsmitglieder, die allesamt anonym bleiben wollen. Keuschnigg habe ein "sehr auf Ökonomie und angewandte Ökonomie" fokussiertes Modell verfolgt, quasi ein "Wifo mit akademischem Mantel", sagt ein Vertreter aus dem Aufsichtsorgan. Dabei wären Eckpfeiler des renommierten außeruniversitären Forschungsinstituts auf der Strecke geblieben. Womit klar gewesen sei, dass das wissenschaftliche Personal nicht mitziehen werde.
Zwei Abteilungsleiter aus dem IHS haben tatsächlich ein Gegenreformkonzept vorgelegt, für das es gewisse Sympathien im Kuratorium gab, auch wenn es nicht angenommen wurde. "In diesem Gegenmodell gab es keinerlei vernünftige Sparvorschläge und keine sinnvolle Strategie", beklagte ein anderes Kuratoriumsmitglied, "die wollen aus dem IHS ein Soziologieinstitut machen." Ein Teil des Kuratoriums habe mit Keuschnigg nicht gekonnt und wollte deshalb seinen Abgang.
Die andere Sicht eines Kuratoriumskollegen: Der Ökonom habe selbst kein großes Interesse mehr am Job gehabt, "möglicherweise ist ihm eine Vollzeitprofessur in St. Gallen wichtiger als von beiden Welten nur die Hälfte".
Führungslos ist das IHS nun nicht, Keuschnigg wird dem Institut noch ein halbes Jahr zur Verfügung stehen. Gesucht wird ein interimistischer Leiter, der die Finanzprobleme in den Griff bekommt. Das IHS leidet, wie mehrfach berichtet, an Geldknappheit und muss mit stark steigenden Mietkosten rechnen, weil die bisherige Unterstützung durch die Stadt Wien nicht mehr Maastricht-konform darstellbar sei.
Wien springt ab
Zur Erinnerung: Gebäude und Grundstück im sechsten Bezirk gehören der Stadt Wien, die sie dem IHS zur Verfügung stellten, das IHS zahlte nur die Betriebskosten. Diese Art von Beihilfe sei aber nicht mehr möglich, erläutert ein mit der Materie vertrautes Kuratoriumsmitglied. Das IHS muss also künftig Mieten erwirtschaften. Einen Finanzdirektor gibt es für all diese Aufgaben nicht. Zwar wurde Keuschnigg ein solcher 2013 beigestellt, der sei aber vor einigen Monaten geflüchtet.
Das IHS hat eine Sonderposition, es betreibt Lehre wie eine Universität, aber auch Forschung. Grob die Hälfte des Budgets von jährlich neun Millionen Euro entfällt auf die beiden Bereiche. Während die Lehre zu 80 Prozent von der öffentlichen Hand pauschal finanziert wird bekommt die angewandte Forschung nur zehn Prozent ihrer Mittel aus einer Basisfinanzierung und muss den Rest über Projektanträge aufstellen. (ung, szi, derStandard.at, 23.10.2014)