Fasten your seatbelt for your own safety: Zehn Sekunden dauert es vom Lösen seiner Bremsen, bis dieses Unikum abhebt - und unter ohrenbetäubendem Lärm mit 156.000 Pferdestärken in den Himmel jagt. Bei jeder Kurve muss der Pilot sämtliche Körperteile anspannen, denn bei derartiger Beschleunigung schießt ihm das Blut in die Extremitäten, die unglaubliche Belastung presst die Bandscheiben aufeinander - und nicht wenigen Menschen mit nur durchschnittlicher Konstitution würde spätestens jetzt die letzte Mahlzeit heraufkommen. "Es ist natürlich ein Raubbau am eigenen Körper", sagt Oberstleutnant Roland Miedler, "aber das ist es uns wert."

Guenther Platter im Jahr 2006 mit den oesterrischen Bundesheer-Piloten Roland Miedler und Werner Kriegitz im EADS-Werk im bayrischen Manching , wo der erste oesterreichische Eurofighter "Typhoon" fertiggestellt wurde.
Foto: PETER LECHNER / HBF

Der Mann gehört zu jenem Dutzend in diesem Land, das den berüchtigten Eurofighter fliegt. Er kann davon erzählen, wie die Piloten mit dem Jet bis zu siebzig Mal im Jahr für einen Einsatz der Priorität Alpha aufsteigen, um verdächtige Luftobjekte zu identifizieren. Wie sie nach jedem Flug durchgeschwitzt aus dem Cockpit steigen. Und auch davon, wie er und die anderen vor den regelmäßig anstehenden Gesundheitschecks zittern. Denn wenn nur "ein Blutwert, ein Zahn oder sonst eine Kleinigkeit" Probleme macht, kann es schon vorbei sein mit der Flugtauglichkeit, erklärt Miedler - trotz jahrelanger Ausbildung und Training an diesem hochtechnologischen, hypersensiblen Gerät.

Politisches Unguided Missile

Nicht viele im Land teilen diese Leidenschaft für den 23,5 Tonnen schweren Eurofighter, der nur zu jenen mit "einer angenehmen Frauenstimme" aus dem Computer spricht, die ihn beherrschen. Der rote Verteidigungsminister betont (wie schon sein Vorgänger) dieser Tage besonders oft, dass er diese monströse Anschaffung nicht getätigt hat. Kein Wunder. 60 Millionen Euro an Fixkosten verschlingt der Abfangjäger im Jahr, mit rund 60.000 Euro schlägt sich eine einzige Flugstunde zu Buche. Das setzt dem ohnehin finanzmaroden Bundesheer zu.

Damit nicht genug, entlarvte sich der Eurofighter schon vor seiner ersten Landung auf seinem Heimatflughafen, dem Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg, als politisches Unguided Missile: Zu Beginn des zweiten Jahrtausends hat der Kampfflieger die schwarz-blaue Regierung gesprengt, dazu hat ein Plebiszit mehr als 624.000 Österreicher gegen ihn aufgebracht. Im Parlament wurde sein Ankauf von vorn bis hinten in einem U-Ausschuss durchleuchtet. Doch bisher war nichts auszurichten gegen die mit fast zwei Milliarden teuerste Anschaffung der Zweiten Republik, die gerade einmal 15,96 Meter misst.

Doch bis heute beschäftigt der Eurofighter die Staatsanwaltschaften von München und Wien - besser gesagt, die undurchsichtigen Gegengeschäfte, von denen rund 280 heimische Firmen durch seinen Kauf profitiert haben sollen. Der Grüne Peter Pilz argwöhnt seit Jahren, dass im Zuge des Deals über Briefkastenfirmen Schmiergeld nach Österreich geflossen sein könnte - bewiesen ist bisher nichts.

Eine eigene Taskforce im Wirtschaftsministerium soll längst die Daten aller begünstigten Betriebe zusammengetragen haben, doch bisher scheiterten alle Versuche, darüber nähere Auskünfte zu bekommen - auch das "Forum Informationsfreiheit" ist trotz dutzender Anfragen nicht an eine aktuelle Liste der Unternehmen mit ihren Auftragsvolumina gekommen - deswegen brachte die Non-Profit-Organisation bereits zwei Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof ein.

Ein anderer ministerieller Trupp sammelt im Verteidigungsressort alles Material rund um etwaige technische Mängel des Eurofighter - um beim Hersteller-Nachfolger, der Airbus Group, bei der Wartung oder bei Ersatzteilen eventuelle Preisnachlässe erwirken zu können. Zuletzt wirbelte Anfang Oktober eine Notlandung des Eurofighter in Innsbruck viel Staub auf, nachdem ein winziges defektes Ventil einen Fehlalarm des Triebwerks ausgelöst hat.

Aus Spargründen wird am Nationalfeiertag auch heuer wieder auf dem Heldenplatz, bei der Leistungsschau des Bundesheeres, das Eurofighter-Modell fehlen. Doch die Bevölkerung wird das gut verschmerzen können.

Geboren in Bayern

Denn bis heute ist der Eurofighter kein Spezl für die Österreicher geworden - obwohl sein Prototyp im bayrischen Manching, genauer im EADS-Werk, aus der Taufe gehoben wurde. Am 27. März 1994 hob dieser Flieger dort erstmals ab, nachdem die Nato-Staaten Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien ein gutes Jahrzehnt lang an diesem rüstungstechnischen Großprojekt getüftelt hatten.

Die Vorgeschichte reicht aber bis in die späten 1960er-Jahre zurück: Damals flog die Bundesluftwaffe die F-104, den formschönen, aber wegen Sicherheitsmängeln als "Witwenmacher" verschrienen Starfighter von Lockheed - und suchte nach einem Nachfolger. Er wurde im Tornado gefunden, der bereits als internationale Kooperation mit Beteiligung der wiedererstandenen deutschen Rüstungsindustrie geplant wurde.

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Vom Starfighter zum "Jäger 90": Der Eurofighter (rechts im Bild) als Nachfolger für die F-104 und den Tornado.
Foto: Bundesarchiv/Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0-de), Master Sgt. Kevin J. Gruenwald/U.S. Air Force, REUTERS/Arnd Wiegmann

Der Tornado, von dem bis 1999 insgesamt 977 Stück gebaut wurden, war aber nur als Übergangslösung gedacht. Unter dem Projektnamen "Jäger 90" wurde ein neues Allzweckflugzeug entwickelt, das hohe Beschleunigung in allen Höhen, gute Überschallmanövrierfähigkeit in der Anfangsphase des Luftgefechtes, effektive "fire-and-forget" Luft-Luft-Bewaffnung für mittlere Entfernungen, extreme Manövrierfähigkeit im Dogfight sowie eine große Reichweite für Luftüberwachungseinsätze und Begleitschutz verbinden sollte. Wobei die beteiligten Luftwaffen - neben Deutschland waren das Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien - unterschiedliche Einsatzspektren und Industrieinteressen hatten.

So forcierte Frankreich vor allem Luft-Boden-Fähigkeiten und Kurzstart- und Landefähigkeiten, um das Gemeinschaftsflugzeug auf Flugzeugträgern einsetzen zu können - während die anderen Nationen die Luft-Luft-Fähigkeiten bei der Abfangjagd oder der Luftüberlegenheit in einem erwarteten atomaren Konflikt mit der Sowjetunion in den Vordergrund stellten. Knackpunkt war aber, dass die Franzosen eine Führungsrolle für Dassault (den Hersteller der Mirage) beanspruchten - sie stiegen aus dem inzwischen "European Fighter Aircraft" genannten Projekt aus und entwickelten die Rafale im Alleingang.

1990 kein "Jäger 90"

Der Kalte Krieg war 1989/90 zu Ende, aber der "Jäger 90" noch nicht fertig. Nun wurde er noch einmal kräftig zurückgestutzt - aber am internationalen Gemeinschaftsprojekt hielten die verbliebenen Partner fest. Sie brauchten aber zweierlei: verbindliche Aufträge der jeweiligen Luftwaffen und die Aussicht auf Export-Erfolge, um das Riesenprojekt mittelfristig zum Geschäft zu machen.

So fiel das Auge des bayerischen Flugzeugbauers auf den Nachbarn Österreich: Das Bundesheer hatte in den 1960er-Jahren seine Abfangjäger - die "Fliegende Tonne" Saab 29 Tunnan - ausgemustert, war eineinhalb Jahrzehnte nur mit der eigentlich als Geschäfts- und Schulflugzeug (zwei Pilotensitze nebeneinander) entwickelten Saab 105 geflogen. Dann hatte man - als Übergangslösung für zehn Jahre - altersschwache Saab 35 Draken gekauft.

Österreichs Eurofighter-Vorgänger: Saab 29 Tunnan (im Bild ein schwedisches Modell), Saab 105 und Saab 35 Draken.
Foto: Gnolam/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0), Bundesheer

Diese Flugzeuge hätten eigentlich 1995 ersetzt werden sollen, doch die SPÖ-geführte Regierung Vranitzky brachte nie die Kraft dafür auf. Im Jahr 2000 machte ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel den Kauf neuer Abfangjäger zur Koalitionsbedingung. Er handelte sich damit den äußerst unsicheren Kantonisten Jörg Haider (der später kräftig Stimmung gegen die Eurofighter machte) ein. Und er handelte sich auch jede Menge internationale Verachtung ein: Schüssels schwarz-blaue Regierung wurde rechtsextremer Umtriebe verdächtigt und international geschnitten.

Schüssels Erbe

Als nun die Österreicher 2001 Anbote für ihren Abfangjägerkauf einholten, meldeten sich die Deutschen mit ihrem (damals gerade erst in Serienfertigung gehenden) European Fighter Aircraft, das allerdings gerade den Namen auf "Eurofighter Typhoon" änderte. Das Eurofighter-Konsortium brauchte einen Referenzkunden im Export und ließ auch preislich viel nach.

Politisch war das sehr attraktiv: Wenn Österreich den Eurofighter kaufen würde, wäre es in der Staatengemeinschaft voll rehabilitiert. Zudem bot der Eurofighter - mehr als alle Konkurrenzprodukte - die Möglichkeit, in eine internationalen Hochtechnologie-Flotte eingebettet zu werden. Kommerziell resultierte das in Zulieferverträgen an Airbus, und militärisch war an eine Beteiligung bei der Überwachung von Flugverbotszonen, bei einem allfälligen Nato-Beitritt wohl auch an Kampfeinsätzen gedacht.

Die Regierung Schüssel griff zu, plötzlich war man wieder gut Freund mit Gerhard Schröders Deutschland. Mit dem Flugzeug selbst wurde man nicht glücklich. Die Stückzahl wurde von 30 auf 24, dann 18 und schließlich 15 reduziert - und auch die lässt man kaum noch fliegen. (Conrad Seidl, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 25./26.10.2014)