Sie sind grün, sie sind jung, und sie werden immer mehr - so könnte man das Phänomen "Samopomitsch" beschreiben. Die westukrainische Partei könnte am Sonntag bei der Parlamentsneuwahl in der Ukraine für Überraschungen sorgen. Umfragen sehen sie bei bis zu 8,5 Prozent, doch auch ein zweistelliges Ergebnis scheint möglich.

Parteigründer ist Andrej Sadowyi, seit 2006 Bürgermeister von Lwiw (Lemberg). Doch der beliebte Sadowyi strebt selbst gar keinen Sitz im Parlament an, er will Stadtoberhaupt bleiben und hat seine Partei prominenten Bürgerrechtlern und Soldaten der Freiwilligenbataillone geöffnet, unter anderem Jegor Sobolew und Hanna Gopko. Beide haben im vergangenen Herbst die Euromaidan-Proteste mitinitiiert; sie holten am Anfang der Demos Studenten auf die Straße. Vor allem den Kampf gegen Korruption und die Reform des Verwaltungsapparates haben sie sich vorgenommen.

"Wir werden dicke Bretter bohren müssen; aber ich bin mir sicher, die Ukraine muss für einen wirklichen Neuanfang alte Strukturen beseitigen und neue Führungskräfte in Justiz, Polizei, Bildungswesen und Verwaltung einsetzen", sagt Gopko bei ihren Wahlauftritten im ganzen Land. Während der Bürgermeister eher die Wähler bis 50 anspricht, richten sich Gopko und Sobolew an junge, gebildete Menschen.

Soldaten auf der Liste

Die 32-Jährige Anwältin und der 37-jährige frühere Wirtschaftsjournalist haben bei ihren öffentlichen Auftritten oft "Wut im Bauch", wie Sobolew freimütig eingesteht. Im Februar war er von Übergangspremier Arsenij Jazenjuk als Korruptionsbeauftragter eingesetzt worden. Doch ohne Büro, ohne Budget und ohne Vollmachten nur zur Teilnahme an Kabinettssitzungen zugelassen, hatte er faktisch keinen Einfluss. "Selbst zu den Regierungssitzungen wurde ich nur unregelmäßig eingeladen", sagte Sobolew zum Standard. Auf die Frage, wieso er sich einer Partei angeschlossen und nicht selbst eine gegründet habe, antwortet er, es seien weder Geld noch Geldgeber aufzutreiben gewesen.

Neben Bürgerrechtlern finden sich auch Soldaten auf der Liste der Partei mit dem weiß-grünen Logo. Semen Sementschenko hat hinter Gopko Listenplatz zwei bekommen. Er war Kommandant des größten Freiwilligenbataillons "Donbass" und kämpfte im Sommer gegen die Separatisten im Osten. Sementschenko erklärte vor ein paar Wochen im Fernsehen, sein bürgerlicher Name sei Konstantin Grischin. Er sei 1974 auf der Krim geboren und habe in Moskau Film studiert. In den 1990er Jahren habe er angefangen, für einen sehr wohlhabenden Mann in Donezk zu arbeiten.

Unklare Finanziers

Mit solchen Äußerungen wirft Sementschenko viele Fragen auf. Zum Beispiel die nach dem Geldgeber von Samopomitsch. Die Antwort klingt immer gleich: Das Bündnis lebe von vielen Kleinspendern. Doch Belege gibt es nicht. Kyrill Savin, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew, die den deutschen Grünen nahesteht, bezweifelt das. "Allerdings haben wir keine eindeutigen Hinweise darauf, wer die Geldgeber sind", so Savin zum Standard. Er ist sich sicher, dass die Zuwendungen aus dem Umfeld Sadowyis, von Unternehmern, stammen.

Ein Mitglied der aktuellen Regierung, das den eigenen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist da anderer Meinung. "Die Samopomitsch wird teilweise auch von Rinat Achmetow mit Geld ausgestattet", sagt der Politiker. Achmetow gilt als reichster Mann der Ukraine und wurde 2013 von Forbes zu den 100 reichsten Menschen weltweit gezählt. Er soll auch den Aufbau des Bataillons "Donbass" finanziert haben. (Nina Jeglinski aus Kiew, DER STANDARD, 24.10.2014)