Vor allem im Bereich der Militärseelsorge tauchen in den von der deutschen Integrationsforscherin Ines Michalowski untersuchten westlichen Heeren "da und dort recht ähnliche Probleme auf".

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Ines Michalowski ist derzeit Gastprofessorin am Institut für Politikwissenschaft an der Uni Wien und erforscht Integrationspolitik im internationalen Vergleich und den Umgang mit Religion in staatlichen Institutionen.

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STANDARD: Sie haben die Integration von Muslimen in westlichen Armeen untersucht, darunter die Streitkräfte von Belgien, Deutschland, Frankreich, der Niederlande und der USA. Ihr Befund über das Bundesheer?

Michalowski: Wie in allen untersuchten Staaten steht man der Integration des Islam in Österreichs Militär in keiner Weise ablehnend gegenüber. Aber freilich tauchen dabei da und dort wie überall recht ähnliche Probleme auf.

STANDARD: Welche zum Beispiel?

Michalowski: Oft betrifft das etwa den Bereich der Militärseelsorge. In Österreich blieben da seit 2008 bis heute zwei dafür anvisierte Posten unbesetzt. In den Niederlanden wiederum kam es einst unter Premier Jan Peter Balkenende sogar zu einer Parlamentsdebatte über einen muslimischen Geistlichen, weil dieser das militärische Engagement in Afghanistan mit den Kreuzzügen verglichen hat. In Frankreich dagegen bestehen da weniger Probleme, weil man dort von den Militärseelsorgern kein theologisches Studium einfordert und demzufolge auch direkt aus dem Militär rekrutieren kann.

STANDARD: Hierzulande hat die Islamische Glaubensgemeinschaft für diese Posten schon vor Jahren Kandidaten namhaft gemacht, die jedoch der "Verlässlichkeitsüberprüfung" beim Bundesheer nicht standgehalten haben – eine Ausrede oder ein berechtigter Einwand?

Michalowski: Freilich gab es dazu eine entsprechende Vorgeschichte. Einem der Kandidaten war etwa zuvor die Lehrberechtigung als Religionspädagoge entzogen worden, wie sich dabei herausgestellt hat. Insgesamt sind aber alle Armeen besorgt darum, wen man sich da ins Militär holen könnte.

STANDARD: Spielt Islamismus in diesen Apparaten denn eine große Rolle?

Michalowski: Abgesehen von Österreich gibt es ja fast nur mehr Freiwilligenarmeen in Europa, daher sind jene Muslime, die sich für die Armee entscheiden, meist nicht sehr religiös geprägt. Als Staatsbürger suchen sie eher die Gleichbehandlung beim Militär als ein Pflegen ihrer religiösen Identität.

STANDARD: Was wäre eigentlich im Kriegsfall – müssten da tiefgläubige Muslime trotzdem fünfmal am Tag beten?

Michalowski: Für alle Streitkräfte, die ich mir für die Untersuchung angesehen habe, ist geregelt, dass die Grundrechte der Soldaten und damit auch die Ausübung der Religion im Ernstfall eingeschränkt werden können. In Hinblick auf die Muslime heißt es dann, dass die Gebete zu einem zusammengefasst oder verschoben werden können. Die deutsche Bundeswehr hat sich hier eigens bei einem Rechtsgelehrten abgesichert, dass dies möglich ist.

STANDARD: Seit eineinhalb Jahrzehnten gilt es beim Bundesheer als Selbstverständlichkeit, dass Soldaten anderer Konfessionen "alternativ verpflegt" werden. In der Maria-Theresien-Kaserne in Wien gibt es seit zehn Jahren einen eigenen muslimischen Gebetsraum. Nehmen auch andere Armeen derartige Rücksicht auf Gläubige?

Michalowski: Der eigene Gebetsraum in Österreich ist eine Besonderheit, er wurde auf Initiative eines einzelnen Bundesheerangehörigen rein aus Spenden finanziert. Das gibt es in den anderen Staaten nicht. Dort gibt es allenfalls Räume, die von verschiedenen Konfessionen genutzt werden. Allerdings steht der Gebetsraum in Hietzing heute oft leer. Das hat vor allem damit zu tun, dass Soldaten seit 2011 in ganz Österreich ein sogenanntes "Mehrkomponentenessen" angeboten wird, was eine individuelle Speisenwahl ermöglicht – und seitdem rücken auch nicht mehr so viele muslimische Rekruten in die Maria-Theresien-Kaserne ein. Eine Besonderheit hierzulande ist aber auch, dass ausdrücklich zwischen nicht-strenggläubigen und besonders strenggläubigen Muslimen unterschieden wird – Letztere müssen sich von der Islamischen Glaubensgemeinschaft extra eine Bescheinigung ausstellen lassen.

STANDARD: Weil es dann bestimmte Schutzbestimmungen für diese "besonders strenggläubigen" Grundwehrdiener gibt?

Michalowski: Genau. Strenggläubigen wird zum Beispiel das Freitagsgebet zugestanden, ebenso wie das Anrecht auf besondere Feiertage im Jahr.

STANDARD: Unter den Präsenzdienern sind nach den Katholiken die Muslime die zweitstärkste Konfession, trotzdem liegt ihr Anteil unter den Angehörigen des Bundesheeres bis heute nicht einmal bei drei Prozent. Woran liegt das?

Michalowski: In der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil der Muslime in Österreich nach verschiedenen Schätzungen auch nur zwischen 4,2 und 6,2 Prozent. Aber auch in anderen Staaten engagieren sich gemessen an der muslimischen Gesamtbevölkerung weniger Muslime im Militär – in der deutschen Bundeswehr etwa gibt es schätzungsweise weniger als ein halbes Prozent. Dies hat freilich oft mit den restriktiven Staatsbürgerschaftsgesetzen zu tun.

STANDARD: Also liegt es nicht daran, dass sich viele Muslime, obwohl längst im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft, innerlich eher den Herkunftsstaaten ihrer Familien verbunden fühlen?

Michalowski: Das Engagement im Militär ist sicherlich eine ganz besonders anspruchsvolle Form der staatlichen Integration, die ja auch im Rest der Bevölkerung nicht immer ungeteilten Zuspruch findet. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 27.10.2014)