Wien - Die Geburt eines neuen Sternes ist eine dramatische Angelegenheit: Rund um ihn bilden sich schon im Frühstadium der Entwicklung riesige Gas- und Staubscheiben, aus der der heranwachsende Stern laufend Materie bezieht. Dass dies kein langsamer, stetiger Prozess ist, haben nun Wiener Astrophysiker beobachtet. Wie Untersuchungen im Röntgenlicht zeigten, stürzen in verhältnismäßig kurzer Zeit große Materialmengen gleichsam lawinenartig auf den Stern.
"Seit langem wird spekuliert, dass gelegentliche gewaltige Instabilitäten in den Scheiben sehr große Mengen an Material in kurzer Zeit auf den Stern hinunter stürzen lassen", erklärte Manuel Güdel vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Denn Berechnungen belegen, dass die Entstehung eines Sterns von der Größe unserer Sonne durch einen ständigen Massestrom bis zu zehn Millionen Jahre bräuchte. Tatsächlich bilden sich die Sterne aber innerhalb weniger als einer Million Jahre, und die Scheiben verschwinden erfahrungsgemäß bereits nach wenigen Millionen Jahren.
Materiestürze verändern Sternenumgebung
Tatsächlich wurden in den vergangenen 80 Jahren bei einem knappen Dutzend Sternen je einmal solche gewaltigen Materialstürze beobachtet, jedes dieser Phänomene dauert Jahrzehnte an. Sie werden nach dem 1937 ausgebrochenen Prototypen auch "FU Orionis-Ausbrüche" oder "FUors" genannt. Bei diesen spektakulären Ereignissen wird die ganze Sternumgebung verändert und die sonst kühlen Scheiben auf Temperaturen wie auf der Sonnenoberfläche aufgeheizt. Die Objekte strahlen dadurch mindestens zehn bis 100 Mal heller als zuvor. Aber nicht nur der Stern gewinnt durch diese Vorgänge an Masse, auch die in den Scheiben vor sich gehende Entstehung von Planeten wird dadurch erheblich beeinflusst, wie die Forscher im Fachjournal "Astronomy and Astrophysics" schreiben.
Im Jahr 2010 wurde der bisher jüngste "FUor" entdeckt, bei einem sich bildenden Stern namens HBC 722 im Gebiet des Nordamerikanebels im Sternbild Schwan. Um ohne Verzögerung den Stern schon in seiner Anfangsphase beobachten zu können, holten sich Güdel und sein Doktorand Armin Liebhart Extra-Beobachtungszeit beim Röntgensatelliten XMM-Newton der Europäischen Weltraumagentur ESA in den Jahren 2010 und 2011. Schließlich konnten sie 2013 mit dem NASA-Röntgenobservatorium "Chandra" die Vorgänge ein weiteres Mal beobachten.
Erstmals konnten die Forscher damit die bewegte Anfangsphase eines Ausbruchs im Röntgenlicht aufnehmen. "Wir sahen zum ersten Mal, wie sich das Objekt in den Röntgeneigenschaften und in den Gasströmen ändert", sagte Güdel. Sie stießen dabei auf völlig unvorhergesehene Eigenschaften.
Enttäuschende erste Beobachtung
Gleich die erste Beobachtung während des anfänglichen raschen Ausbruchs war eine Enttäuschung, denn im Röntgenbereich war nichts zu sehen. Möglicherweise gab es massereiche Gasströme zwischen Stern und Scheibe, die alles Röntgenlicht vom Stern absorbierten, lautet die Erklärung der Astrophysiker. Ein halbes Jahr später zeigte sich dagegen eine Röntgenquelle, wie man sie für einen derartigen Stern erwartet - nämlich eine heiße Röntgenkorona ähnlich der Sonnenkorona. Die Gasströme waren anscheinend bereits abgeklungen.
Zwei Jahre später jedoch hatte sich der Ausbruch erneut verstärkt. Die jetzt zehnmal stärkere Röntgenquelle wurde aber durch eine im Vergleich zu vorher bis zu hundertfach größere Menge an Gas sehr stark abgeschwächt. Die Beobachtung zeigte zusätzlich, dass das Gas sehr heiß sein musste, weil der üblicherweise enthaltene Staub verdampft war. Durch die Abschattung des Röntgenlichts konnten die Wissenschafter die vorausgesagten Masseströme von der Scheibe auf den Stern direkt nachweisen.
Die neuen Erkenntnisse sind nicht nur bedeutend für das Verständnis der Entstehung neuer Sterne, sondern auch der Planeten in den Gas- und Staubscheiben. Da der Ausbruch über viele Jahre weiter andauern dürfte, haben die Wissenschafter bereits wieder neue Beobachtungszeit für XMM-Newton beantragt. (APA/red, derStandard.at, 27.10.2014)