Wien - Die ÖVP hat die Grenze für Wahlkampfkosten bei der Nationalratswahl um mehrere Millionen Euro überzogen. Statt der im Parteiengesetz erlaubten sieben Millionen Euro hat die Partei elf Million Euro ausgegeben. Das hat Parteichef Reinhold Mitterlehner bei einer Pressekonferenz nach dem Parteivorstand am Montag bekanntgegeben. Die Zahlen ergeben sich aus dem Rechenschaftsbericht für den Wahlkampf, den die Volkspartei dem Rechnungshof bis morgen, Dienstag übergeben muss.

Er rechne mit einer Strafe von 600.000 Euro, sagte Mitterlehner. Über die tatsächliche Höhe wird der Parteientransparenz-Senat entscheiden, laut dem Parteiengesetz liegt die Strafe bei höchstens 665.000 Euro (siehe Wissen). Für ein Viertel der Kostenüberschreitungen ist laut dem Parteichef die Bundespartei verantwortlich, die restlichen drei Viertel gehen auf das Konto der Landesorganisationen. Ob sich letztere auch an der Begleichung der Pönale beteiligen werden, ließ der Parteichef offen.

Breite Strukturen

"Ich übernehme die Verantwortung dafür – in Zukunft werden wir die Grenze einhalten", sagte Mitterlehner. "Die Freude hält sich in Grenzen, ich habe keine Ahnung gehabt. Aber sei es drum, jetzt ist es so." Generalsekretär Gernot Blümel sagte, er sei "überrascht" gewesen, wie viel Wahlwerbung innerhalb der Partei passiert sei. Verantwortlich für die Überschreitung machten die beiden die breiten Strukturen innerhalb der Partei.

Im Wahlkampf klang das noch anders. Der ehemalige Generalsekretär Hannes Rauch hat damals bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz die Kosten aufgeschlüsselt. Demnach sollten zwei Millionen Euro pro Landesorganisation ausgegeben werden, eine Million sollte für Give-Aways und Events fließen. Von den verbleibenden drei Millionen Euro wollte die ÖVP 1,4 Millionen in Plakatkampagnen investieren, aus dem Rest sollten Anzeigen, Online-Aktivitäten und Video-Spots finanziert werden. Zur Kostenkontrolle habe man ein aufwendiges Berichtswesen erstellt, welches bis in die Ortsgruppen reicht, verkündete Rauch damals stolz.

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Trotz hoher Investitionen wurde die ÖVP bei der letzten Nationalratswahl nicht zur Kanzlerpartei gewählt.
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Eigene Software

Der aktuelle Generalsekretär Blümel sagt heute, dass bisher das Controlling gefehlt habe, die Überprüfung der einzelnen Organisationen wolle man in Zukunft aber verbessern. "Es haben sich Lerneffekte ergeben."

Für die Erstellung des Rechenschaftsberichts sei eine eigene Software entwickelt worden. Es hätten zudem 23 Vollzeitarbeitskräfte am Bericht gearbeitet. Durch die vielen Strukturen innerhalb der Partei habe es 15.000 Stellen gegeben, die eine Meldung für den Bericht abgegeben haben. Insgesamt seien 48.000 Stunden Arbeit in die Erstellung des Berichts geflossen.

Beide – Mitterlehner und Blümel – waren im Nationalratswahlkampf 2013 noch nicht in ihrem derzeitigen Amt. "Ich habe nichts damit zu tun gehabt", betonte Mitterlehner, der die ÖVP seit August diesen Jahres führt. Er geht davon aus, dass auch andere Parteien die Grenze überschreiten werden. Das Team Stronach hat bereits Mitte Oktober bekanntgegeben, 13,5 Millionen Euro ausgegeben zu haben.

FPÖ, Grüne und Neos blieben im Rahmen

Auch Grüne und Neos haben ihre Rechenschaftsberichte bereits abgegeben. Laut den Angaben der Parteien gaben die Grünen 5,4 Millionen Euro aus und die Neos knapp zwei Millionen.

Die FPÖ hat auf Anfrage der APA angegeben, knapp unter dem Kostenlimit zu bleiben. Laut Generalsekretär Herbert Kickl hat die Partei 6,868 Millionen Euro in den Wahlkampf investiert.

SPÖ vermeldet geringfügige Überschreitung

Die SPÖ wird dem Rechnungshof am Dienstag mitteilen, dass die Wahlkampfkostengrenze 2013 nur "geringfügig überschritten" wurde. In einer Aussendung bezifferte Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos die Ausgaben für den Wahlkampf mit 7,326 Mio. Euro. Damit hätte die SPÖ knapp vier Millionen Euro weniger ausgegeben als die ÖVP.

Sollten die Zahlen von Rechnungshof und Parteien-Transparenz-Senat bestätigt werden, dann müsste die SPÖ nur mit einer geringfügigen Geldbuße rechnen. Zu zahlen wären dann zehn Prozent des Überschreitungsbetrages - also 32.600 Euro.

Der Rechnungshof muss die Berichte prüfen, bevor er sie auf seiner Homepage veröffentlicht. Mit allfälligen Verstößen wird sich der unabhängige Parteien-Transparenz-Senat im Kanzleramt befassen. Dieser vom früheren Verfassungsgerichtshof-Präsidenten Ludwig Adamovich geleitete Senat ist für die Verhängung von Strafen gegen jene Parteien zuständig, die den Kostenrahmen gesprengt haben.

Grüne fordern strengere Strafen

Die Grünen fordern angesichts der Verletzung der Wahlkampfkosten-Grenze durch die ÖVP härtere Sanktionen. "Offenbar sind die Strafen nicht streng genug", so Vize-Klubchef Werner Kogler am Montag. Er stößt sich daran, dass für eine Kostenüberschreitung von 4,2 Mio. Euro nur 665.000 Euro Strafe drohen: "Der absichtliche Verstoß gegen demokratische Spielregeln ist kein Kavaliersdelikt."

Die Kürzung der staatlichen Parteienförderung fordern angesichts der "gewaltigen Überziehung der Wahlkampfkosten-Höchstgrenze" die Neos. Bundesgeschäftsführer Feri Thierry korrigierte in einer Aussendung auch die bisher von der Partei genannten Wahlkampfkosten-Angaben nach oben: Seinen Angaben zufolge wurden 2,5 Mio. Euro ausgegeben. Bisher hatte die Partei von knapp zwei Mio. gesprochen.

Vier Stellvertreter für Mitterlehner

Festgelegt wurde beim ÖVP-Parteivorstand auch, wer beim Bundesparteitag am 8. November zu Stellvertretern Mitterlehners gewählt wird. Auserkoren dafür hat die ÖVP die EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger, ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner, Außenminister Sebastian Kurz sowie Klubobmann Reinhold Lopatka. Neuer Finanzreferent wird Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner. (koli, derStandard.at/APa, 27.10.2014)

Kommentar: Transparenz braucht Zeit