Von Kritikern gelobt, von den Konsumenten verschmäht: Für das Moto X des Jahres 2013 hoffte Motorola Mobility darauf, dass potentielle Käufer bereit sind, für ein in den USA gefertigtes Smartphone etwas mehr zu zahlen. Dem war allerdings nicht so, also setzt das eben von Google an Lenovo verkaufte Unternehmen für den Nachfolger auf eine andere Strategie: Top-Hardware zu einem fairen Preis. Ob man dieses Versprechen einlösen kann, ist eine jener Fragen, denen im folgenden Test nachgegangen werden soll.

Wachstum

Zunächst das Offensichtliche: Im Vergleich zum ersten Moto X ist das 2014er-Modell ein ganzes Stück größer geworden: 5,2 statt 4,7-Zoll Bildschirmdiagonale resultieren in Abmessungen von 140,8 x 72,4 Millimeter. Damit ist das neue Moto X um gut 7 Millimeter breiter als sein Vorgänger. Für viele mag dieses Sprung bereits zu viel sein, war das erste Moto X doch nicht zuletzt für seine Kompaktheit im Vergleich zu den immer größer werden Konkurrenten gelobt worden. Jenseits solch subjektiver Vorlieben bleibt allerdings eine positive Erkenntnis: Auch das neue Moto X liegt wieder hervorragend in der Hand. Ein dazu beitragender Faktor ist die Biegung des Geräts an der Rückseite: Während das Smartphone in der Mitte satte 9,9 Millimeter dick ist, bleiben davon an den Rändern nur 3,8 Millimeter übrig. Dies führt dazu, dass sich das Moto X (2014) erheblich dünner anfühlt als es eigentlich ist.

Das Design des Moto X (2014) ist durch eine starke Biegung an der Rückseite gekennzeichnet.
Foto: Andreas Proschofsky / derStandard.at
In der Seitenansicht ist die Oberflächentextur des Ausschaltknopfs gut zu erkennen.
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Für die Verarbeitung gibt es ebenfalls ausschließlich positive Worte. Der Bildschirm ist an den Rändern abgerundet, auch sonst stören keinerlei Kanten das haptische Erlebnis. Ein Aluminiumrahmen sorgt für gesteigerte Stabilität. Dazu kommen sehr gut ausgeführte seitliche Knöpfe, wobei der Power-Button auch noch leicht aufgeraut ist, um ihn noch leichter ertasten zu können. In einigen Ländern lässt sich das Moto X zudem über das Motomaker-Programm individuell zusammenstellen. Neben verschiedenen Farbkombinationen, darf dabei auch zu anderen Materialien gegriffen werden. So war unser Testgerät mit einer Lederrückseite ausgestattet, was ein äußerst angenehmes Haltegefühl zur Folge hatte. Wer will darf aber auch aus unterschiedlichen Holzsorten wählen. Leider ist das Motomaker-Programm derzeit zwar in Deutschland aber nicht in Österreich erhältlich. Wer dieses nutzen will, muss also den Umweg über auf den Import spezialisierte Services wie Logoix gehen.

Bildschirm

Dass der Bildschirm nun 5,2-Zoll groß ist, wurde bereits erwähnt. Doch das ist nicht die einzige Änderung, wurde doch die Auflösung auf 1.080 x 1.920 Pixel erhöht. Daraus ergibt sich eine Pixeldichte von 424 PPI, aus der eine deutlich gesteigerte Bildqualität resultiert. Da stört auch nicht länger, dass der AMOLED-Bildschirm eine PenTile-Matrix nutzt. Der ansonsten sehr gute Eindruck des Displays wird allerdings durch einen deutlichen Gelbstich getrübt. Im Vergleich zu anderen aktuellen AMOLEDs - etwa bei Samsung-Smartphones - scheint jener des Moto X wesentlich schlechter kalibriert zu sein.

Der AMOLED-Bildschirm des Moto X (2014) kann sich wirklich sehen lassen, einzig die Farben könnten besser kalibriert sein.
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Hatte das erste Moto X noch eine nicht mehr ganz aktuelle CPU eingesetzt, will man beim 2014er-Modell diesen - aus einer Marketingperspektive - "Fehler" nicht wiederholen. Das neue Moto X kommt also mit einem Snapdragon 801, ein mit 2,5 GHz getakteter Quadcore-Chip mit Adreno 330 Grafikeinheit, der auch bei praktisch allen anderen Android-Spitzenmodellen zum Einsatz kommt. An der Performance gibt es in Folge auch wirklich nichts auszusetzen, diese liegt nicht zuletzt dank der schlanken Softwareausstattung von Motorola an der Spitze aller aktuellen Android-Smartphones.

Kamera: Besser aber schlecht.

Viel kritisiert wurde das erste Moto X für seine schwache Kamera, mit der neuen Generation versucht Motorola hier nachzubessern - und scheitert. Zwar ist eine deutlich Verbesserung gegenüber dem Vorjahresmodell zu erkennen. Im Vergleich zur Konkurrenz bleibt das neue Moto X aber bestenfalls durchschnittlich. Vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen können die Ergebnisse ganz und gar nicht überzeugen, doch selbst bei optimalem Licht bieten andere Geräte deutlich knackigere Fotos. Dabei kommt der selbe 13-Megapixel-Sensor zum Einsatz, der beim Galaxy S4 und dem LG G2 durchaus gute Ergebnisse geliefert hatte, die Defizite scheinen zum Teil also auch an der Motorola-Kamera-Software zu liegen.

Bei Tageslicht liefert das Moto X gute aber auch nicht unbedingt herausragende Ergebnisse.
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Der LED-Flash-Ring hat keine wirklich wahrnehmbare Auswirkung auf die Qualität der Aufnahmen mit Blitzlicht.
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Bei schlechten Lichtverhältnissen kann die Kamera dann endgültig nicht mehr mit aktuellen Kameras anderer Hersteller mithalten. Neben dem starken Rauschen ist auch ein deutlicher Rotstich zu bemerken.

Im Vergleich zu vielen anderen Topmodellen fehlt dem Moto X eine optische Bildstabilisierung (OIS), ähnlich wie das iPhone 6 will man dieses Defizit mit "elektronischer Bildstabilisierung" (EIS) kompensieren. Tatsächlich verrichtet diese durchaus gute Arbeit, wie sich vor allem bei Videos zeigen lässt. Allerdings funktioniert EIS nicht mit 4K-Videos, wodurch dieser extra-hochauflösende Modus hier noch weniger Sinn ergibt, als es schon bei anderen Geräten der Fall ist. Liefert doch 1080p meist die besseren Ergebnisse.

Gimmicks

Besondere Betonung legt Motorola auf den LED-Flash-Ring, der rund um die Kamera angebracht ist, und bessere Ausleuchtungsergebnisse liefern soll. Im Alltag ist hier aber kein sonderlich signifikanter Unterschied zu anderen Smartphones zu erkennen. Als Softwaregimmick gibt es noch einen Slow-Motion-Video-Modus sowie eine Funktion namens "Quick Capture". Diese kann durch zweimaliges Schütteln des Smartphones aufgerufen werden, und macht bei bewegten Szene automatisch mehrere Fotos, um anschließend das Beste auszuwählen.

Guter Klang, aber kein Stereo

Wer das Moto X von vorne betrachtet, meint schnell mal zwei Lautsprecher zu erkennen. Dies ist aber ein Trugschluss, nur die untere der beiden Aussparungen ist auch tatsächlich ein Lautsprecher, oben ist lediglich der Hörer für Telefonie zu finden. Stereo-Ton gibt es also nicht, aber ansonsten liefert das Moto X einen - für ein Smartphone - wirklich sehr guten Klang. Auch an der Sprachqualität gibt es absolut nichts auszusetzen.

Der Lautsprecher des Moto X bietet hervorragenden Klang - auch wenn es keinen Stereo-Sound gibt.
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Mit 2.300 mAh ist der Akku des Moto X angegeben, und damit nur marginal stärker als beim Vorgänger (2.200 mAh). Dies bedeutet: Je nach Nutzungsverhalten ist die Akku-Laufzeit einmal besser, einmal schlechter. Die reine Screen-On-Time leidet unter dem größeren Bildschirm. Umgekehrt hilft die neue CPU beim Stromsparen. In Summe bleiben zwei Erkenntnisse: Erstens gibt es andere Smartphones, die deutlich länger durchhalten, mit der Akkugröße befindet sich Motorola für ein Gerät dieser Klasse mittlerweile am untersten Ende der Skala. Gleichzeitig war es im Testverlauf aber auch kein Problem durch den Tag zu kommen - wobei so etwas natürlich massiv vom eigenen Nutzungsverhalten, der Netzabdeckung und anderen Faktoren abhängt.

Vermischtes

Weiter Eckdaten im Schnelldurchlauf: Es gibt WLAN nach 802.11a/b/g/n/ac, LTE-Support, Bluetooth 4.0 und NFC. Der interne Speicher beträgt je nach Modell 16 oder 32 GB - wobei letztere Variante leider ausschließlich über Motomaker bestellt werden kann. Zudem ist das Gerät mit einer Nano-Beschichtung gegen Spritzwasser oder Regen geschützt.

Software

Einer der positivsten Aspekte des ersten Moto X war die Softwareausstattung. Wo andere Hersteller zum Teil massive Umbauten an Android vornehmen, setzt Motorola auf eine andere Strategie: Einzelne, sehr zielgerichtete Zusatzfunktionen auf Basis eines weitgehend unveränderten Kernsystems. Ein Ansatz, der unter anderem zur Folge hatte, dass kein anderer Dritthersteller im vergangenen Jahr auch nur annähernd so schnell Updates auf neue Android-Versionen ausgeliefert hat wie Motorola.

Mit Moto Display werden eingehende Benachrichtigungen sowie die Uhrzeit direkt am Bildschirm angezeigt. Dank AMOLED klappt dies, ohne einen sonderlich negativen Effekt auf die Akkulaufzeit zu haben.
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Für die 2014er-Ausgabe setzt man dieses Konzept fort: Es gibt also ein Android 4.4.4, wie es fast von einem Nexus-Gerät stammen könnte. Auf dieser Basis gibt es dann Motorola-Spezialitäten wie Moto Display. Die letztes Jahr noch Active Display genannte Lösung zeigt neue Benachrichtigungen in einem stromsparenden Schwarz/Weiß-Modus umgehend am Bildschirm an. Dank vier an der Vorderseite verbauter Infrarotsensoren, kann dieser Darstellungsmodus zudem mit einer Handbewegung über das Gerät aufgerufen werden. Und beim Hochheben des Smartphones schaltet sich Moto Display ebenfalls automatisch ein. In Summe eine wirklich nützliche Angelegenheit.

Sprachsteuerung

Eine weitere Kernstärke ist Moto Voice, eine Art Erweiterung für die Google-Sprachsteuerung. Und dessen neueste Version kann mit etwas aufwarten, das sich wohl auch andere Android-Nutzer wünschen würden: Die Möglichkeit eine beliebige Phrase zur Kontaktaufnahme mit dem Smartphone festzulegen. Nach einer kurzen Einrichtung geht dies im Test auch problemlos. Wer will, darf nun also stilsicher zu "Ok Jarvis" greifen, und wer seine Mitmenschen gerne verwirrt, spricht das Motorola-Gerät mit "Hey Siri" an. Aber natürlich ergeben sich auch ganz andere Möglichkeiten, wie das eingebettete Video demonstriert.

Die Sprachsteuerung des Moto X lässt sich auf beliebige Phrasen trainieren. All zu einfach sollte diese aber nicht sein, sonst wird sie immer wieder unabsichtlich ausgelöst.
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Die zuvor erwähnten Infrarotsensoren können übrigens noch für weitere Funktionen genutzt werden, etwa um einen eingehenden Anruf mittels Handbewegung lautlos zu schalten. Mit dem Attentive Display wird wiederum der Bildschirm länger aktiv gehalten, wenn man gerade aktiv auf dieses blickt. Also zumindest theoretisch: Im Test erweist sich das als ähnlich fehleranfällig wie die diesbezügliche Funktion von Samsung, vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen bringt dies wenig.

Entsperren

Wenig hat sich bei Moto Assist getan, was nichts daran ändert, dass die automatische Anpassung an die eigenen Aktivitäten weiterhin sehr nützlich ist. Etwa um automatisch beim Autofahren eingehende SMS vorlesen zu lassen, oder auch nur um Nachts ungestört zu bleiben. Ähnliches gilt für Motorola Connect, dessen bestes Feature noch immer das Verschicken von SMS über eine Browser-Erweiterung am Desktop ist. Zudem nimmt die Motorola-Software eine Neuerung von Android 5.0 vorweg: Es kann ein Bluetooth-Gerät festgelegt werden, in dessen Umgebung die Lock-Screen-Sperre des Smartphones deaktiviert wird.

Die Android-Oberfläche übernimmt Motorola praktisch unverändert von Google. Beim ersten Start gibt es einige Nutzungshinweise, die vielleicht etwas zu viel des Guten sind (Mitte). Und die Moto-App vereint die diversen Zusatzfunktionen von Motorola.
Screenshots: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Die meisten dieser Motorola-spezifischen Funktionen sind mittlerweile übersichtlich in einem Programm zusammengeführt. Und noch erfreulicher: Motorola aktualisiert all seine Zusatzkomponenten laufend über den Play Store, dazu gehört sogar die Boot-Animation des Systems. Ansonsten dominieren die gewohnten Google-Anwendungen, die praktisch vollständig angetreten sind, also inklusive Gmail, Google Drive und Chrome. Einzig Google Keep ist nicht vorinstalliert, interessanterweise fehlt auch die Taschenrechner-App, die sonst bei Android zu finden ist. Die Galerie wurde wiederum von Motorola angepasst, so gibt es nun etwa die Möglichkeit gezielt Highlight-Filme aus den eigenen Aufnahmen zu produzieren. Und warum auch immer greift Motorola zum Kalender aus dem Android Open Source Project und nicht den aktuellen Google Kalender - womit dieser auch nicht über den Play Store aktualisiert wird. Allerdings lässt sich natürlich die offizielle Google-Lösung nachinstallieren.

Verfügbarkeit

Das Moto X wird in der 16-GByte ohne Vertragsbindung ab 499 Euro verkauft. Mit mehr Speicher und anderen Materialien wird es dann entsprechen teurer - aber da das Motomaker-Programm in Österreich nicht zur Verfügung steht, ist dies leider ohnehin keine Option.

Fazit

Klar: Die Kamera ist weiterhin kein Schmuckstück des Moto X. Auch die Akkulaufzeit könnte besser sein. Und doch ist das 2014er-Spitzenmodell von Motorola ein durchaus verlockendes Gerät. Statt den oft inkonsistenten, massiven Eingriffen anderer Hersteller gibt es hier ein äußerst flinkes Android, das nur um einzelne aber durchgängig sinnvolle Funktionen erweitert wurde. Ein Ansatz, an dem sich durchaus auch so manch anderer Hersteller ein Vorbild nehmen könnte. So könnte das Moto X (2014) nicht zuletzt für all jene interessant sein, die ein möglichst unmodifiziertes Android wollen, und denen das Nexus 6 schlicht zu groß ist. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 02.11.2014)